Mariatale

[320] Mariatale (Ind. Rel.), bei den Bhadrakalis, den niedrigsten und verachtetsten Stämmen auf der Küste von Koromandel, die Gattin des Büssers Schamadagini und Mutter des Parassurama. Sie besass die Kunst, das Wasser ohne Gefäss, in eine Kugel geballt, aus einem Teiche zu holen. Bei diesem Geschäfte erblickte sie einst die himmlischen Gandharvas, und weil sie sich dadurch zur Begierde verleiten liess, verlor sie sogleich jene Kraft. Ihr Gemahl befahl seinen Söhnen, sie zu tödten. Nur Parassurama gehorchte und hieb ihr den Kopf ab, erbat sich dafür aber zur Belohnung, die Mutter wieder zum Leben bringen zu können, setzte jedoch in der Eile ihren Kopf auf den Rumpf einer hingerichteten Verbrecherin, wodurch nun M. die Tugenden einer Göttin und die Laster einer Bajadere besass. Nun wurde sie als eine Unreine aus dem Hause entfernt und verübte alle Grausamkeiten. Von den Parias wird sie als die grösste Göttin um Hülfe gegen die Pockenkrankheit angerufen, wozu sie - um ihren Zorn zu stillen - von den Göttern Macht erhielt. Man legt Blätter und Zweige eines ihr geheiligten[320] Baums in die Zimmer und Betten solcher Kranken. In allen Orten hat sie Tempel, in deren innerem Heiligthum sich bloss ihr Haupt befindet, das auch die höheren Stämme verehren. Der Körper steht an der Thüre des Tempels und wird von den Parias angebetet.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 320-321.
Lizenz:
Faksimiles:
320 | 321
Ähnliche Einträge in anderen Lexika