Melkarth

[328] Melkarth (Phönic. M.), ein mächtiger Gott, dessen Dienst sich unmittelbar an den des Baal anschliesst; es ist mehr als wahrscheinlich, dass dieser der tyrische Hercules gewesen, und dass sein Dienst sich, wie der des thebanischen über ganz Griechenland und Rom, so über ganz Phönicien, Carthago und die andern phönicischen Colonien in Sicilien und Spanien erstreckt habe. Seiner wird im zweiten Buch der Makkabäer IV, 19. 20 gedacht, und noch zur Zeit der römischen Kaiser war er in hohem Ansehen. Man verehrte ihn durch Küssen auf den Mund und den Fuss, was übrigens nicht bloss ihm, sondern auch noch vielen andern Göttern zu Theil ward. Dem M. wurden überall, wo Phönicier hinkamen, Altäre und Tempel errichtet, so zu Amathunt (Malika), zu Theben (Melicertes), in Tharsus, auf Malta, auf Minorca, in Spanien etc., denn er war der König des Himmels und scheint Handels- und Kriegs-Gott zugleich gewesen zu sein. - Ungeheuer waren die Bauten, welche für den Dienst dieses Gottes aufgeführt wurden; sie sind so gross, dass man sie für cyclopische Bauten gehalten hat, obwohl die Steine nicht unregelmässige Polygone sein sollen. Auch der Tempel zu Gades nahm die ganze Oberfläche einer Insel, nahe bei der Stadt, ein: ein Beweis, wie hoch man diesen Gott ehrte. Merkwürdig ist, dass man selten seine Statue fand, und dass er in der Regel nur durch ein heiliges, immer brennendes Feuer, nicht durch ein Bild repräsentirt wurde; in Gades aber glaubte man ihn selbst wirklich zu haben; in einer mächtigen Urne wurden seine riesigen Gebeine aufbewahrt. - Ob nun wohl M. in vielen Tempeln ohne Bildsäule verehrt wurde, so war doch an andern Orten seine Statue zu sehen, und zwar in sehr verschiedener Art, theils stehend, theils im Kampfe begriffen, oder mit Pfeil und Bogen auf einem Kniee liegend, theils in Ruhe sitzend, oder auf einem Schiffe befindlich, wie mehrere ägyptische Götter. Zu Tyrus war der Dienst des M. am glänzendsten; dort, wie in Carthago, wurden ihm zahlreiche Menschenopfer gebracht, und nach Tyrus wanderten oder schifften aus allen Colonien der Phönicier alljährlich zahlreiche Gesandtschaften an ihn, ihre Ehrfurcht und Unterwürfigkeit unter seine Oberherrschaft zu bezeugen; dorthin brachten sie reiche Geschenke, ja nicht selten den Zehenten der ganzen Einkünfte ihres Landes, so wie den Zehenten der Kriegsbeute, und Carthago beobachtete dieses noch, als es schon bei weitem mächtiger war als der Mutterstaat. Dieses machte nicht nur die Tempel des tyrischen M. sehr reich, sondern auch alle andern Tempel desselben waren überfüllt mit Schätzen, und desshalb stets das Ziel raubsüchtiger Feinde, besonders in spätern Zeiten der römischen Kaiser, welche unter andern die Tempel zu Gades wiederholt plünderten, was selbst Cäsar that; der Aberglaube des Volkes ersetzte indessen bald das Verlorene.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 328.
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