Metempsychose

[333] Metempsychose, Seelenwanderung, die Grundlage der alten Religionslehre mehrerer Völker, namentlich der orientalischen, der Indier und Aegypter. Von dort aus verallgemeinerte sich der Glaube an ein Uebergehen der Seele aus einem verstorbenen menschlichen Körper in einen andern menschlichen oder thierischen; meistens jedoch als eine Strafe gedacht. Die Seele, ein unmittelbarer Ausfluss des höchsten Gottes, wird, als zur Reinigung von anhängenden Schlacken, zur Büssung für begangene Vergehen, durch mehrere Vervollkommnungsstufen gehend gedacht. - Die Indier haben hauptsächlich diese Lehre ausgebildet, sie ist bei ihnen Schicksalssache, meist Strafe für nicht erfüllte Religions- und Kasten-Pflichten, und ein Mittel zur Läuterung. Nach Massgabe der abzubüssenden Verbrechen findet die Wanderung durch die Körper bösartiger oder gutartiger Thiere statt, dauert längere oder kürzere Zeit, wiederholt sich bei demselben Individuum öfter oder minder oft. Von diesem Glauben hängt auch das Verbot des Fleischessens ab. - Bei den Griechen ward diese Lehre durch Pythagoras vorgetragen. Er nahm sie in seine Philosophie als Zeugniss für die ewige Fortdauer der Seele auf. Der Geist des Menschen, von seinen Fesseln befreit, geht in einen Zwischen-Zustand zwischen Himmel und Erde über, von wo er früher oder später zur Erde zurückkehrt, um irgend eine sterbliche Hülle zu beseelen, bis nach seiner vollkommenen Läuterung die Wanderung zur Urquelle des Lichts und Lebens möglich wird. Es unterscheiden sich hier Neulingsseelen, welche, aus ihrem himmlischen, ätherischen Leben zum ersten Male austretend, in die Hülle sterblicher Wesen eingehen, und büssende, welche nach einmaligem Leben als Menschen zum zweiten und dritten Male in solcher Verkörperung erscheinen, oder solche, die aus Neigung zum Irdischen zum Leben in der Sinnenwelt herabkommen. Am seltsamsten verfuhren die Juden mit der Seelenwanderung, indem sie behaupteten, Gott habe nur eine gewisse Anzahl Judenseelen geschaffen, welche, so lange es Bekenner des Mosaismus gebe, immer wieder kämen, und von denen viele zur Strafe in Thierkörper verpflanzt würden; sie alle jedoch werden am Auferstehungstage sich in den Leibern der Gerechten in Palästina befinden, und dort in dieser Gestalt auferstehen. - Unter den Christen waren besonders die Manichäer diejenigen, welche die Seelenwanderung annahmen und sie als Bussmittel betrachteten, indem sie behaupteten, dass ein blutdürstiger Mensch nach seinem Tode in einen Wolf, ein eitler in einen Pfau, ein Wollüstling in einen Hahn übergehe.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 333.
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