Naevius

[343] Naevius (Röm. M.), Attus Nävius, auch Attius oder Accius Navius genannt, soll ein berühmter Augur zur Zeit des Königs Tarquinius Priscus gewesen sein. Schon als Knabe zeigte er Anlage zur Seherkunst, indem er einst, da er darauf ausging, die grösste Traube in seinem Weinberg zu finden, um sie nach Wiederfindung eines verlorenen Schweins seinem Gelübde gemäss den Göttern zu schenken, durch Beobachtung der Vögel eine Traube von ganz ungewöhnlicher Grösse aufstand. Sein Vater übergab ihn daher den Lehrern der Seherkunst, vornehmlich Etruskern, und bald übertraf er alle andern Vogelschauer seiner Zeit. Als nun Tarquinius die Absicht aussprach, zu den von Romulus errichteten Rittercenturien neue hinzuzufügen, untersagte ihm diess N. im Namen der Götter, bevor die Vögel zugestimmt hätten. Tarquinius erwiderte: »Befrage einmal deine Vögel, du Prophet, ob das geschehen kann, was ich denke?« N. befragte die Vögel und meldete dem König ihre Zustimmung. Da sagte dieser: »Nun denn, so zerschneide diesen Wetzstein mit diesem Scheermesser! denn das ist's, was ich mir dachte.« Augenblicklich zerschnitt N. den Stein, und der König stand von seinem Vorhaben ab. Eine Bildsäule des Augur's, den zerschnittenen Stein zum ewigen Gedächtniss darneben, wurde an dem Orte aufgestellt, wo das Wunder geschehen war. Später wurde N. plötzlich nicht mehr gesehen, und Feinde des Königs sagten diesem nach, er habe ihn heimlich ermorden lassen.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 343.
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