Nixen

[352] Nixen (German. M.). Aus neueren Dichtern kennen wir die N. gewöhnlich nur als weibliche Wesen, gleich den Nymphen der Griechen, nur mit stärkerem Hervortreten der Vorstellung, dass ihre Nähe für den Menschen verderblich sei, was bei den Nymphen nur selten erscheint. Allein zu der Zeit, als dieser Name entstand, wurde er vom Volksglauben vielmehr überwiegend für männlich gedachte Wassergeister gebraucht, und zwar hiess die älteste Form des Namens Nihhus oder Nichus, wurde aber dann auf die manchfaltigste Weise, z.B. in Nicker, Nickel, Neck, Necker (wozu zu vergleichen der Name des Flusses Neckar) abgewandelt; frühzeitig jedoch wurden allerdings auch weibliche N. hinzugedichtet. Das Uebereinstimmende in allen Zügen des N.-Glaubens ist, dass sie Wesen gleicher Classe mit den Elfen, nur auf das Wasser, als ihr Element, beschränkt sind. Der Nix ist gewöhnlich ältlich und langbärtig; er trägt einen grünen Hut, und wenn er den Mund bleckt, sieht man seine grünen Zähne. Zuweilen hat er die Gestalt eines rauhhaarigen wilden Knaben, zuweilen die eines gelblockigen, mit rother Mütze auf dem Haupt. Dem finnischen Näcki werden eiserne Zähne beigelegt. N. erscheinen, gleich den Feen, in der Sonne sitzend, ihre langen Haare kämmend, oder auch mit dem Obertheil des Leibs, der von hoher Schönheit ist, aus Wellen tauchend. Den Untertheil soll, wie bei Sirenen, ein fischartiger Schwanz bilden; doch diese Vorstellung ist unwesentlich, und wohl nicht ächt deutsch, denn die N., wenn sie an's Land unter Menschen gehen, sind gleich menschlichen Jungfrauen gestaltet und gekleidet, nur an dem nassen Kleidersaum, dem nassen Zipfel der Schürze erkennbar. Tanz, Gesang und Musik sind die Freude der N., wie der Elfen. Durch Gesang zieht die Nixe zuhorchende Jünglinge an sich und hinab in die Tiefe. Die Nixen sind unselige Wesen, die aber dereinst der Erlösung theilhaftig werden können. Zwei Knaben spielten am Strom; der Nix sass und schlug seine Harfe; die Kinder riefen ihm zu: »Was sitzest du Nix hier und spielst? Du wirst doch nicht selig.« Da fing der Nix bitterlich zu weinen an, warf die Harfe weg und versank in die Tiefe. Als die Knaben nach Hause kamen, erzählten sie ihrem Vater, der ein Priester war, was sich zugetragen hatte. Der Vater sagte: »Ihr habt euch an dem Nix versündigt; geht zu ihm, tröstet ihn und sagt ihm die Erlösung zu.« Da sie zum Strom zurückkehrten, sass der Nix am Ufer, trauerte und weinte. Die Kinder sagten: »Weine nicht so, du Nix! Unser Vater hat gesagt, dass auch dein Erlöser lebt.« Da nahm der Nix froh seine Harfe und spielte lieblich bis lange nach Sonnen - Untergang. Aber andrer Seits geht durch die N.-Sagen ein Zug von Grausamkeit und Blutdurst, der bei den Geistern der Berge, Wälder und Häuser nicht leicht vorkommt. Nicht allein Menschen, deren der Nix gewaltig wird, tödtet er, sondern er übt auch blutige Rache an seinen Leuten, die an's Land gestiegen sind, mit den Menschen umgehen und dann wieder zurückkehren. Von Ertrunkenen sagt man: »Der Nix hat sie an sich gezogen«.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 352.
Lizenz:
Faksimiles: