Norna Gest

[355] Norna Gest (Nord. M.), Sohn eines dänischen Fürsten Thort Bengbit, dem, als er noch ein Kind war, drei Zaubernornen eine glückliche Zukunft prophezeiten und ihn mit Segnungen überhäuften; nur die jüngste derselben, theils dadurch beleidigt, dass die anderen ihr alle Wünsche hinweggenommen, theils entrüstet über eine Menge Menschen, welche sich herzudrängten und sie von ihrem Sitze schoben, fügte zu jenen Segnungen den Fluch, dass er nur so lange leben sollte, als die so eben für ihn angezündete Kerze noch nicht verzehrt sei. Eine andere Norne löschte die Schicksalskerze sogleich aus und gab sie der Mutter des Knaben, dem diese sie, mit der Erzählung der Begebenheit, überreichte, als er zu einem rüstigen Helden erwachsen war. Sorgfältig bewahrt, begleitete sie ihn von Ort zu Ort, von Land zu Land. Die grössten Heldenthaten vollbrachte der kühne Jüngling, der erfahrne Mann, der kräftige Greis; die glänzendsten Höfe sahen ihn bewundernd während dreier Jahrhunderte, bis Olaf Trygvason ihn zur Annahme des Christenthums bewog. 300 Jahre alt, zündete er nun auf Olaf's Befehl, nachdem er die Taufe erhalten hatte, die Kerze an, doch war die Macht des Zaubers nicht gebrochen: er starb, sobald die Kerze verbrannt war.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 355.
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