[402] Romulus, (Röm. M.). Was bei den Römern als ächte Sage über diesen angeblichen Gründer und ersten König der Stadt Rom gegolten habe, ist durchaus unsicher, da wir nur durch verhältnissmässig sehr späte Quellen darüber unterrichtet sind. Zur Zeit der Blüthe der römischen Literatur hatte sich indessen folgende Legende in ziemlich allgemeiner Annahme festgesetzt: Zwei Brüder aus der von Aeneas abstammenden Königsfamilie zu Alba, Numitor und Amulius, theilten ihre Erbschaft so, dass Numitor den Thron, Amulius die Schätze erhielt. Bald jedoch raubte Amulius seinem Bruder die Herrschaft und machte dessen Tochter Ilia, auch Rhea Silvia genannt, zur Vestalin, damit sie keine Nachkommen bekommen sollte. Allein der Gott Mars nahete ihr, und sie gebar von ihm Zwillinge, R. und Remus, die Amulius durch einen Diener am Ufer der ausgetretenen Tiber aussetzen liess. Eine Wölfin und ein Specht ernährten die Kinder, bis der Hirte Faustulus sie fand, nach Hause trug und mit seinem Weibe, ⇒ Acca Larentia auferzog. Herangewachsen, stiessen die Brüder den Amulius vom Throne, erschlugen ihn und setzten ihren Grossvater Numitor wieder ein. Darauf gründeten sie eine neue Stadt, Rom; hiebei entstand Streit zwischen ihnen, und Remus fiel von seines Bruders Hand, der nun alleiniger Herrscher des neuen Staates war, und nach seinem Tode, auf die Versicherung des Julius Proculus, dass ihm R. in übermenschlicher Gestalt erschienen sei, unter dem Namen Quirinus vergöttert wurde. - Ein Erzbild der die Zwillinge säugenden Wölfin, wovon wir eine Nachbildung geben, gehört zu den vorzüglichsten Kunstwerken des alten Rom, und befindet sich noch jetzt im capitolinischen Palast.