[421] Swantewit, (Slav. M.), der am meisten verehrte, sichtbare Gott der Wenden. Zu Arkona auf der Insel Rügen stand sein riesiges Bild und war weit und breit für die ganze südliche Küste des baltischen Meeres der Centralpunkt der Gottesverehrung. S. war ein gewaltiger Coloss, welcher auf vier Hälsen vier Köpfe mit rund geschorenem Haar und kurzem Bart trug; seine Kleidung war die der Wenden im Allgemeinen, ein bis über die Kniee herabreichender Rock von Tuch oder Filz, mit langen weiten Aermeln; ein Gürtel hielt denselben zusammen; die Beine waren nackt; an den Füssen trug er plumpe Bastschuhe; ein mächtiges Schwert hing an seiner Seite, und in der linken, auf die Hüfte gestützten Hand trug er einen grossen Bogen; seine Rechte hielt ein Füllhorn, welches jährlich mit Wein gefüllt wurde. Zu diesen Attributen hatte sein Bild, welches in Rhetra stand, noch ein langbärtiges Menschenhaupt auf der Brust. S. war ein guter und böser Gott zugleich; Füllhorn und Bogen schien dieses schon anzudeuten: die Waffen für den Krieg, das Segenshorn des Friedens. Er überschauete mit seinen vier Häuptern die ganze Erde, darum wurde sein Rath so hoch geachtet, darum waren seine Orakel die angesehensten, seine Anbetung verlieh irdische Macht und Reichthümer; darum ward er im Rausche taumelnder Freude verehrt und ihm wurden grosse, ja nicht selten Menschenopfer gebracht, doch, wie es scheint, nur, wenn er erzürnt war. Ein Hoherpriester stand seinem Dienste vor. Am Tage des grossen Erntefestes musste dieser selbst den Tempel fegen, und zwar mit angehaltenem Athem, um durch seinen Hauch nicht den Gott zu beleidigen. In das grosse Füllhorn ward nun Wein gegossen, und aus der vom vorigen Jahre zurückgebliebenen Quantität ward auf den Segen oder das Missrathen der nächsten Jahresernte geschlossen. Der Tempel und die Bildsäule des Gottes wurden durch Waldemar I. zerstört und das Volk getauft. Der Götzendienst hörte öffentlich auf, obschon er heimlich fortbestand, so dass noch jetzt viele alte Bauern von Rügen den Wald der Nerthus und ihren See und ihren Altar nur mit heiliger Scheue betreten. Dass der Name heiliger Veit, Sanctus Vitus bedeute, ist wohl nichts weiter, als eine wunderliche Phantasie eines wunderlichen Sprachforschers oder Sprachverwirrers.