X In der Pause drang auf einmal ein kalter Luftzug in Helenes Loge; die Tür öffnete sich, und mit gebücktem Kopf und bemüht, niemand anzustoßen, trat Anatol herein. »Gestatten Sie mir, Ihnen meinen Bruder vorzustellen«, sagte Helene; ihre Augen liefen unruhig ...
V Am Abend desselben Tages führten in Denisows Quartier die zu seiner Eskadron gehörenden Offiziere untereinander ein sehr lebhaftes Gespräch. »Und ich sage Ihnen, Rostow, daß Sie den Regimentskommandeur um Entschuldigung bitten müssen«, sagte ein hochgewachsener Vizerittmeister mit schon ergrauendem Haar, gewaltigem ...
V »Na, dann wollen wir anfangen«, sagte Dolochow. »Gut!« erwiderte Pierre, auf dessen Gesicht immer noch dasselbe Lächeln lag. Der furchtbare Ernst kam jetzt allen zum Bewußtsein. Es war offenbar, daß die so leichthin begonnene Sache jetzt durch nichts mehr ...
V Davout war der Araktschejew des Kaisers Napoleon – kein Feigling wie Araktschejew, aber ebenso diensteifrig und hart und ebensowenig wie jener imstande, seine Anhänglichkeit an den Herrscher anders als durch Härte und Grausamkeit zum Ausdruck zu bringen. In dem Mechanismus des Staatswesens sind ...
V Am Tag nach der Aufnahme in die Loge saß Pierre bei sich zu Hause, las in einem Buch und bemühte sich in den Sinn eines Quadrates einzudringen, bei dem die eine Seite Gott, die zweite das geistige Element, die dritte das leibliche Element und ...
I Diese heilige Handlung kann man nur in Moskau sehen, und das auch nur, wenn man besonderes Glück und besondere Protektion hat. Dank einer glücklichen Verkettung von Umständen wohnte ich einmal der Teufelsaustreibung vom Anfang bis zum Ende bei und möchte sie nun den wahren Kennern ...
X Fürst Andrei stieg in Brünn bei dem russischen Diplomaten Bilibin ab, mit dem er bekannt war. »Ah, lieber Fürst! Ein erwünschterer Gast konnte mir gar nicht kommen«, sagte Bilibin, der auf die Meldung von der Ankunft des Fürsten diesem entgegenkam. » ...
V Während Fürst Andrei eine Benachrichtigung darüber erwartete, daß er dem Komitee als Mitglied aggregiert sei, erneuerte er alte Bekanntschaften, namentlich mit solchen Persönlichkeiten, von denen er wußte, daß sie Einfluß besaßen und ihm nützlich sein konnten. Es erfüllte ihn jetzt in Petersburg ein ...
X Nach dem Begräbnis ihres Vaters schloß sich Prinzessin Marja in ihrem Zimmer ein und ließ niemand zu sich. Das Stubenmädchen kam an die Tür und sagte, Alpatytsch sei gekommen, um sich von ihr Befehle in betreff der Abreise zu erbitten. (Dies war noch ...
X In der Morgenfrühe des 16. November brach Denisows Eskadron, in welcher Nikolai Rostow stand, und die zur Abteilung des Fürsten Bagration gehörte, aus ihrem Quartier auf. Es hieß, sie werde ins Gefecht kommen; aber nachdem sie, hinter anderen Kolonnen einherziehend, ungefähr ...
X Bald nach seiner Aufnahme in die Bruderschaft der Freimaurer reiste Pierre mit einem vollgeschriebenen Notizbuch, in welchem er alles verzeichnet hatte, was er auf seinen Gütern vornehmen wollte, nach dem Gouvernement Kiew, wo sich der Hauptteil seiner Bauern befand. Als Pierre in ...
I In Petersburg führten damals in den höchsten Kreisen die Parteien ihre verwickelten Kämpfe untereinander mit noch größerer Hitze und Heftigkeit als sonst je: die Partei Rumjanzews, die der Franzosen, die der Kaiserin-Mutter Maria Feodorowna, die des Großfürsten-Thronfolgers und andere; und übertönt wurden diese ...
X Es war dem alten Grafen Rostow durch seine Bemühungen gelungen, Nikolais ... ... zu höherer Sphäre zu danken haben. Aber du verstehst mich wohl kaum.« »O doch, ich verstehe dich sehr wohl«, antwortete Rostow, der von seinem neuen ...
X Dieser Brief war dem Kaiser noch nicht übergeben worden, als Barclay beim Mittagessen dem Fürsten Andrei mitteilte, der Kaiser wünsche ihn persönlich zu sprechen, um ihn nach dem Stand der Dinge in der Türkei zu befragen; er solle um sechs Uhr abends sich in ...
V Nikolai saß mit einem vergnügten Lächeln, das nicht von seinem Gesicht wich, etwas zusammengekrümmt auf seinem Sessel, beugte sich nahe zu der schönen Blondine hin und machte ihr Komplimente, die er aus der Mythologie entnahm. Während er in forscher Manier die ...
I Im Jahre 1808 begab sich Kaiser Alexander zu einer neuen Zusammenkunft mit dem Kaiser Napoleon nach Erfurt, und in den höchsten Petersburger Gesellschaftskreisen wurde viel über die großartige Pracht dieses festlichen Zusammenseins gesprochen. Im Jahre 1809 war die Annäherung der beiden Weltherrscher, wie man ...
I. Man erzählte sich, daß am Strande ein neuer Kurgast aufgetaucht sei: eine Dame mit einem Spitz. Dmitrij Dmitrijewitsch Gurow, der schon seit vierzehn Tagen in Jalta war und sich an das Badeleben gewöhnt hatte, interessierte sich bereits wie die andern für jeden neuen Menschen. ...
X Er führte sein Tagebuch fort und trug in dieser ... ... ich den von mir begangenen Fehler. O Gott, ich verstehe schlechterdings nicht, mit ihm umzugehen. Die Ursache ... ... aber ich konnte mich von ihnen nicht losreißen. O Gott! Hilf mir! O mein Gott! Wenn es Dein Werk ist, ...
I Die biblische Überlieferung sagt, daß das Fehlen jeglicher Arbeit, das Nichtstun, ein wesentliches Moment der Glückseligkeit des ersten Menschen vor seinem Sündenfall gewesen sei. Die Liebe zum Müßiggang ist bei dem Menschen auch nach dem Fall dieselbe geblieben; aber es lastet nun auf dem ...
V Unterdessen hielt Nikolai Rostow an seinem Platz und wartete auf einen Wolf. An dem Näherkommen oder Zurückweichen des Jagdlärms, an dem Ton des Gebells der ihm bekannten Hunde, sowie daran, daß die Stimmen der Piköre lauter oder schwächer klangen, erkannte er, was in ...
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Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
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