[138] Abziehen, verb. irreg. S. Ziehen. Es ist:
I. Ein Activum, und bedeutet alsdann herab ziehen, wegziehen, ziehend von etwas absondern; und zwar,
1. Eigentlich. Den Ring abziehen. Einem Thiere die Haut abziehen, und metonymisch, ein Thier abziehen. Mandeln abziehen, ihnen die Haut abziehen. Den Braten abziehen, von dem Spieße. Die Handschuhe abziehen. Sie zog einen Handschuh ab, um uns eine schöne Hand zu weisen. Einem die Larve abziehen, in figürlicher Bedeutung, ihn in seiner wahren bösen Gestalt, ungeachtet seiner Verstellung, darstellen. Die Hand von einem abziehen, gleichfalls in figürlicher Bedeutung, ihn seiner bisherigen Hülfe, Unterstützung, Aufsicht berauben. Ein geladenes Gewehr abziehen, den Schuß heraus ziehen.
2. In weiterer und zum Theil figürlicher Bedeutung, wo dieses Zeitwort so wohl im gemeinen Leben, als in den Wissenschaften, Künsten und Handwerken von vielen Arten der Absonderung, Wegschaffung, und der dadurch bewirkten Vollendung gebraucht wird, und oft nach einer im Deutschen sehr gebräuchlichen Metonymie erkläret werden muß. So stehet es,
1) Für abnehmen. Den Hut abziehen, den Hut vor einem abziehen, ihn mit Abnehmung des Hutes grüßen. Schon im Schwabenspiegel lieset man den hut gen im abziehen. Die Saiten von einem musikalischen Instrumente abziehen, im Gegensatze des Aufziehens.
2) Für wegnehmen, besonders der Zahl, dem Maße und dem Gewichte nach. So bedeutet abziehen in der Rechenkunst so viel, als das Lateinische Wort subtrahiren. Auf gleiche Art sagt man:[138] einem etwas abziehen, von einer von ihm verlangten oder ihm gebührenden Summe wegnehmen, zurück behalten. Einem zehn Thaler von seinem Lohne, von seiner Besoldung, von dem geforderten Preise abziehen. Ich will es ihm schon an dem Lohne (vielleicht besser von dem Lohne) abziehen. Abziehen ist hier der allgemeinste Ausdruck, dessen Begriff abbrechen, abkürzen, abknappen, abdrücken, abzwacken u.s.f. mit allerley Nebenbegriffen, besonders der größern oder geringern Gewalt, bezeichnen.
3) Für in Gedanken absondern, besonders in der Logik, wo einige Neuere abziehen, von derjenigen Verrichtung des Verstandes gebrauchen, da man sich nur die gemeinschaftlichen Merkmahle mehrerer Dinge mit Ausschließung der besondern vorstellet, oder kürzer, da man sich das Unselbstständige an einem Dinge für sich allein denkt. Ein abgezogener, allgemeiner, Begriff. Abziehen ist in diesem Verstande eine buchstäbliche Übersetzung des Lateinischen Kunstwortes abstrahiren und abstract. Da es nun zugleich ein figürlicher Ausdruck und dabey sehr vieldeutig ist, so haben andere dafür mit besserm Erfolge absondern gebraucht.
4) Für wegziehen, vornehmlich in der figürlichen Bedeutung, dem Gemüthe nach von etwas entfernen. Einen von einem Vorhaben, von einer Partey, von dem Wege der Tugend abziehen, durch vorgelegte Bewegungsgründe davon abbringen. So auch, sein Gemüth, sein Herz von etwas abziehen. Sich von der Welt abziehen, alle Verbindung mit ihren Thorheiten und Eitelkeiten aufheben.
5) Für abfließen lassen, und zwar, (a) für ableiten. Das Wasser von den Wiesen, das Wasser aus einem Teiche abziehen, und metonymisch, einen Teich abziehen. (b) Für abzapfen. Wein oder Bier abziehen, es in ein anderes Faß, oder in Flaschen laufen lassen. Ein Faß Wein auf Bouteillen abziehen. (c) Für destilliren. Weinessig, Weingeist, Branntwein, u.s.f. abziehen, und metonymisch, Blumen, Kräuter u.s.f. abziehen, destilliren. Abgezogene Wasser. Dieses Abziehen geschiehet vermittelst des Abziehzeuges, oder des zum Destilliren nöthigen Geräthes, worunter die Abziehblase, oder die Blase, das vornehmste Stück ist.
6) Für ablegen, absenken, besonders im Weinbaue, wo abziehen eine besondere Art des Ablegens andeutet, da die Enden der Weinstöcke nur in die obere Erde, oder in angesetzte und mit Erde gefüllete Körbe abgebogen werden, bis sie anwurzeln.
7) Für abheben. Die Pfanne abziehen, in den Salzsiedereyen, sie von dem Herde losmachen und ausheben.
8) Für abdrucken, in den Buch- und Kupferdruckereyen, einen Bogen abziehen, welches doch nur von einzelnen Bogen, z.B. von den Probe- und Correctur-Bogen gebraucht wird. Eine Kupferplatte abziehen, ein Probeblatt von derselben abdrucken.
9) Für absieden. So pflegen die Färber das so genannte Abklören, oder Ausziehen der Farbe aus einem gefärbten Zeuge auch abziehen zu nennen. Hierher gehören ferner auch noch folgende metonymische Arten des Gebrauches, eine Bearbeitung durch verschiedene Arten der Absonderung anzudeuten. So stehet dieses Zeitwort, 10) Für abschaben. Ein Fell abziehen, bey den Kürschnern, die Fleischseite desselben völlig rein und glatt schaben, welches vermittelst eines besondern Abzieheisens geschiehet. Bey den Tischlern bedeutet es mit der Ziehklinge glatt schaben.
11) Für abfeilen. So pflegen die Metallarbeiter diejenigen Stücke, welche sie zusammen löthen wollen, mit der breiten und dicken Abziehfeile abzuziehen, damit sie völlig eben werden. Auf ähnliche Art bedeutet abziehen, wenn von Gewichten die Rede[139] ist, auch so viel als eichen, weil solches mehrentheils vermittelst der Feile geschiehet.
12) Für glatt und scharf machen. In diesem Verstande werden Schermesser und andere schneidende Werkzeuge abgezogen, wenn sie, nachdem sie geschliffen worden, zur Wegschaffung des Grathes auf dem Abziehsteine oder auf einem ledernen Riemen hin und her gestrichen werden; welches auch abstreichen heißt. In dem Begriffe des bloßen Glättens ziehen auch die Schuster das Leder an den steifen Stiefeln ab, wenn sie es mit Bimssteinen glatt reiben.
13) Für abmessen, vornehmlich in dem Markscheiden, vermuthlich von den Schnüren und Ketten, welche dabey gezogen werden, daher das Abmessen eines Markscheiders selbst auch ein Zug genannt wird. Auch gebraucht man dieses Wort von der Abmessung eines Waldes.
14) Sich abziehen, das Reciprocum, wird vornehmlich von den gedruckten Bogen gesagt, wenn sie sich abdrucken, und also die Farbe fahren lassen. Im gemeinen Leben sagt man auch wohl von dem Zugviehe, daß es sich abziehe, wenn es sich durch allzu vieles Ziehen entkräftet. In den Küchen ziehet man eine Suppe mit einem Eye ab, wenn man ein Ey hinein schlägt; und in andern ähnlichen Bedeutungen mehr.
II. Ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn zu sich nimmt, sich mit seinem Gepäcke von einem Orte entfernen. In dieser Bedeutung wird es vornehmlich in einem gedoppelten Falle gebraucht. 1) Von einem Haufen Soldaten, wenn sie sich mit ihrem Gepäcke von einem Orte wegbegeben. Der Feind ist von der Stadt abgezogen, hat die Belagerung der Stadt aufgehoben. Die Armee mußte unverrichteter Sache wieder abziehen. Die Wache ist abgezogen, im Gegensatze des Aufziehens. Die Compagnie ist von der Wache abgezogen. So auch, von dem Hofoienste abziehen, wenn sich die Fröhner Abends mit ihrem Geschirre nach Hause begeben. Ingleichen in figürlicher Bedeutung, unverrichteter Sache, mit Schande, mit einer langen Nase abziehen müssen, im gemeinen Leben, auch von einzelnen Personen. 2) Von dem Gesinde, wenn es mit seinem Gepäcke eines Dienste verläßt, im Gegensatze des Anziehens. Das Gesinde ziehet ab. Die Magd ist bereits abgezogen. Der Knecht wird bald abziehen. der Grund beyder Arten des Gebrauches liegt in dem Gepäcke, welches man in den ersten einfältigen Zeiten, da die Sprachen gebildet wurden, im eigentlichsten Verstande mit sich zog. 3) Ehedem bedeutete abziehen auch, sich mit seinen Habseligkeiten aus einer Stadt oder Gegend wegbegeben, wofür man jetzt lieber wegziehen saget.
Anm. das Substantiv die Abziehung könnte in allen Bedeutungen der thätigen Gattung gebraucht werden; allein es ist nicht sehr üblich. Der Abzug druckt die Handlung der Mittelgattung in beyden Fällen aus. S. auch Abzucht.
Buchempfehlung
Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.
88 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro