[1222] Der Brunnen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Quellwasser, im Gegensatze des Fluß- Regen- und Teichwassers; ohne Plural, und nur im gemeinen Leben einiger Gegenden. Ein Glas Brunnen, in Thüringen, ein Glas Brunnenwasser. Auch das Wasser mineralischer Quellen wird sehr häufig bloß Brunnen genannt. Den Brunnen gebrauchen, den Brunnen trinken, das Wasser eines mineralischen Brunnens. Es ist frischer Pyrmonter Brunnen angekommen. In dieser Bedeutung lautet es in der ersten Endung des Singulars fast niemahls Brunn, sondern jederzeit Brunnen; vermuthlich, weil sich diese Bedeutung eigentlich aus dem Oberdeutschen herschreibt. 2) Eine Quelle, die am Tage, oder auf der Oberfläche der Erde ausbricht; in welcher Bedeutung es noch am meisten von mineralischen Quellen gebraucht wird, der Gesundbrunnen, Heilbrunnen, Sauerbrunnen u.s.f. außer dem aber veraltet ist. In der Deutschen Bibel kommt es in dieser Bedeutung so wohl eigentlich als figürlich noch häufig vor. 3) In engerer Bedeutung, eine zur Sammlung des Wassers in die Erde gegrabene Vertiefung. Diminutivum das Brünnchen, Oberdeutsch Brünnlein. Einen Brunnen graben. Ein Schöpfbrunnen, Ziehbrunnen, Springbrunnen u.s.f. Wasser in den Brunnen tragen, figürlich, vergebliche Arbeit thun. Die Hoffnung ist in den Brunnen gefallen, sie ist vereitelt worden.
Anm. 1. Dieses Wort ist vorzüglich der Oberdeutschen Mundart eigen, indem die Niederdeutsche statt dessen Born gebraucht; S. dieses Wort. Allein in dessen Declination weichen die Oberdeutschen sehr von einander ab. Der Prunn, des -es, die Prünne; der Brunnen, plur. die Brünnen; der Brunn, des -en, plur. die -en, sind alles Gestalten, unter welchen dieses Wort angetroffen wird. Im Hochdeutschen ist die zu Anfange dieses Artikels angegebene Abänderung die üblichste; zumahl da der Nominativ Brunn eine harte Einsylbigkeit hat. Aus dieser Ungleichheit in der Declination rühret auch die Verschiedenheit in den folgenden Zusammensetzungen her, indem in einigen Wörtern dieses Wort Brunnen in andern aber nur Brunn lautet.
Anm. 2. Dieses Wort lautet bey dem Ulphilas Brunna, bey dem Ottfried, Notker und Willeram Brunno und Prunno, im Angels. Brunna, im Schwed. Brunn und Brund, im Dän. Brond. Wenn Born und Brunn nicht durch eine sehr gewöhnliche Versetzung des r aus einander entstanden sind, wobey es doch schwer seyn möchte, zu entscheiden, welche von beyden die erste und älteste Form ist, so ist Brunn vermuthlich aus rinnen entstanden, weil es in den ältesten Zeiten häufig von einer jeden Quelle, ja von einem jeden rinnenden Wasser gebraucht wird. Bey dem Ottfried kommt es für Wasser überhaupt vor, und wenn Ulphilas den Blutfluß Brunna Blothis nennt, so heißt derselbe in einer andern Stelle bey ihm auch Runa Blothis. Das Isländ. brynna bedeutet wässern, tränken, wie das Nieders. börnen. Bey den Bergschotten, deren Sprache noch ein Überbleibsel der ältesten Europäischen Mundart ist, ist Purn Wasser, und im Altengl. bedeutet Brun einen Bach. Im Theuerd. kommt Brunn für den Urin vor:
Ihr habt seinen Brunnen beschawet,
Kap. 67.
S. Brunzen. Daß indessen das Vorwörtchen be in diesem Worte schon sehr alt ist, erhellet aus dem Griech.βρυειν, quellen, welches vermuthlich auch hierher gehöret. Ein Ziehbrunnen heißt in den[1222] gemeinen Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes ein Sod, Schwed. Saud.
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