Brunnen

Brunnen

[333] Brunnen, auch Born wird im Allgemeinen eine künstlich gebildete oder doch durch Kunst zweckgemäß eingerichtete Vertiefung genannt, in der sich aus den von ihr durchschnittenen oder auch tieferliegenden Erdschichten fortwährend zufließendes oder hervorquellendes Wasser sammelt und dann nach Bedürfniß durch Pumpen oder Schöpfeimer zu Tage gefördert zu werden pflegt.

Fließt das Wasser ohne eine solche Vertiefung von selbst aus der Erde hervor, wie das namentlich in Gebirgsgegenden häufig der Fall ist, so nennt man das vorzugsweise eine Quelle. Beide Erscheinungen haben ihren Grund in der Beschaffenheit und Lage der verschiedenen Schichten, welche an der Oberfläche und im Innern des Erdbodens sich hinziehen und die Bekanntschaft mit denselben ist daher zur richtigen Einsicht bei Aufsuchung von unterirdischen Wasserzuflüssen nothwendig, von denen es aber auch andere Wahrzeichen gibt, wie z.B. Pflanzen, die nur an feuchten Orten wachsen, das Schwitzen des Gesteins am Fuße von Bergen u.s.w. Im Allgemeinen unterscheidet man lockere Schichten, z.B. Sand, schieferiger zerklüfteter Sandstein, Grobkalk, welche dem Wasser einen leichten Durchgang [333] erlauben (a, b, c, d), und dichte Schichten, wie Thon oder Letten, welche seinen Durchfluß nicht so leicht, oft gar nicht gestatten (e, f, g, h). Liegen nun z.B. mehre dieser Schichten unter der Dammerde abwechselnd übereinander, wie die Abbildung andeutet, so wird gewöhnlich diejenige tiefere lockere Schicht das meiste und beste Wasser liefern, welche in einer höher als der Boden des beabsichtigten Brunnen gelegenen, wenn auch sehr entfernten Gegend sich am weitesten auf der Erdoberfläche verbreitet. Das Letztere ist nämlich erfoderlich, damit bei Regenwetter oder wenn auf diese Fläche gefallener Schnee schmilzt, die lockere Masse jener Schicht recht viel Wasser einsaugen und in die Tiefe ableiten könne, was um so leichter geschieht, je mehr Risse und Spalten das Innere der Schicht enthält. Geht nun eine solche wasserreiche Schicht in einer tief gelegenen Gegend wieder zu Tage aus, wie c bei i, oder kann das Wasser derselben die darüber lagernde Thonschicht mittels eines zufälligen Risses durchdringen, wie d die Schicht g und c die Schicht f, so wird je nach Umständen dort ein Sumpf, eine Quelle (i und l), vielleicht auch ein Teich entstehen. Haben dergleichen lockere Schichten keinen starken Durchmesser und lagern sie zugleich in geringer Tiefe unter der Dammerde auf einer dichten Schicht, wie a, so dienen sie zwar zur Aufnahme des durch die Dammerde und von den höhern Punkten einsickernden Wassers, des sogenannten Seihwassers, allein sie vermögen davon nur einen kleinen Vorrath zu fassen, und Brunnen, welche, wie der bei k, nicht tiefer als eine solche Schicht gegraben wurden, sowie aus denselben gespeiste Quellen, werden bei anhaltender Trockenheit wenig Wasser geben, auch wol gänzlich versiegen. Im letztern Falle nennt man sie auch Hungerbrunnen und Hungerquellen und es gibt deren, die nur in so ungewöhnlich nassen und darum oft unfruchtbaren Jahren fließen, daß der Volksglaube, welcher darin Vorzeichen von Theurung und Hungersnoth sieht, sowie ihr Name dadurch gerechtfertigt wird.

Zur vorläufigen Untersuchung der Schichten des Bodens ist der Erdbohrer (s.d.) ein unentbehrliches Werkzeug, was jedoch die Einsenkung der Brunnenschachte selbst anlangt, so wird dabei im Ganzen das beim Bergbau (s.d.) gewöhnliche Verfahren beobachtet. Hat der Schacht eine Schicht erreicht, welche hinreichendes und gutes Wasser gibt und zugleich einen Grund für Mauerwerk darbietet, so wird unmittelbar auf demselben der aus Balkenstücken kreisförmig gezimmerte Brunnenkranz gelegt und auf diesem gewölbartig mit Bruch- oder festgebrannten Ziegelsteinen die kreisförmige Brunnenmauer aufgeführt. Fehlt es für dieselbe an einem festen Grunde, so stellt man diesen durch das Einschlagen von Pfählen oder einer sogenannten Brunnenbüchse her, die aus drei bis vier Zoll starken Pfostendauben rund zusammengefügt und so tief eingerammt wird, daß sie in die unter dem lockern Boden liegende feste Schicht zu stehen kommt. Wird das Wasser aus diesen Brunnen durch Eimer geschöpft und herausgezogen, so heißen sie Schöpf- oder Ziehbrunnen, wird dagegen das Wasser durch Pumpen gehoben, so heißen sie Pumpbrunnen. Bei letztern unterscheidet man Saugpumpen und Druckpumpen. Erstere sind die gewöhnlichsten und bestehen aus einer hölzernen Röhre, die unten zugepfropft und dafür zwei Fuß höher an der Seite mit einem Loche versehen ist, durch welches Wasser hineintritt, wenn sie senkrecht so in den Brunnen gestellt wird, daß diese Öffnung unter Wasser kommt. Oberhalb derselben befindet sich ein aufwärts sich öffnendes, die Röhre luftdicht ausfüllendes Ventil (s.d.) und über demselben der an einer eisernen Kolbenstange auf und nieder bewegliche Pumpenkolben oder Stempel. Auch dieser füllt die Röhre luftdicht aus, ist aber in der Mitte durchbohrt und mit einer gleichfalls nach oben sich öffnenden Lederklappe verschlossen. Geht nun der Kolben in die Höhe, so entsteht über dem darunter liegenden Ventile ein mehr oder weniger luftleerer Raum, in welchen aber vermöge des Drucks der äußern Luft sogleich das Wasser durch das untere Ventil eintritt, indem es dasselbe öffnet. Sinkt der Kolben wieder, so schließt sein Druck auf die Wassersäule über dem untern Ventile dieses sogleich und das Wasser preßt sich durch das Kolbenventil, kann aber nicht unter dasselbe zurückkehren, wenn der Kolben wieder steigt, weil es durch die eigne Schwere die Klappe schließt. Jeder Kolbenzug vermehrt daher die Wassermenge über dem Kolben und sie muß endlich den seitwärts angebrachten Ausfluß erreichen. Da jedoch der Druck der Luft das Wasser im völlig luftleeren Raume nur 32 F. in die Höhe zu treiben vermag, so darf das untere Ventil einer solchen Saugpumpe nicht höher als 28 F. über dem Wasserspiegel angebracht sein, wenn es seine Dienste gehörig leisten soll. Durch Druckpumpen kann das Wasser, ist Kraft genug vorhanden, auf eine außerordentliche Höhe gehoben werden, wie dies z.B. in Bergwerken, bei Wasserkünsten, auch bei den Feuerspritzen geschieht. Sie bestehen aus einer gewöhnlich metallenen kurzen Röhre, dem sogenannten Stiefel, der unten im Wasser steht und in dem sich ein gleiches Ventil wie in den Saugpumpen befindet. Der über denselben an einer langen eisernen Stange bewegliche Kolben ist aber nicht durchbohrt, sondern schließt den Stiefel gänzlich, allein in einer an diesem seitwärts befestigten, nach oben gebogenen Röhre befindet sich ein zweites, aufwärts sich öffnendes Ventil, die gebogene Röhre aber mündet in die Steigröhre, durch welche das Wasser in beliebiger Höhe zu Tage gefördert wird. Geht nämlich der Kolben im Stiefel in die Höhe, so tritt das Wasser über das Ventil, und sinkt der Kolben, so wird das vom zufallenden Ventil zurückgehaltene Wasser durch die gebogene Röhre und ihr Ventil in die Steigröhre [334] gepreßt und in dieser durch fortgesetztes Pumpen eine Wassersäule gebildet, die endlich oben überfließen muß.

In vielen Fällen und wenn die Beschaffenheit des Bodens in dieser Beziehung hinreichend bekannt ist, braucht der Brunnenschacht nicht bis zu der wasserhaltigen, sondern nur bis auf die erste feste Schicht hinabgesenkt zu werden. Durch diese wird dann mit dem Erdbohrer bis zu der wasserhaltigen Schicht ein Bohrloch und dadurch dem Wasser selbst in den Brunnenschacht der Eintritt geöffnet, welcher in einer Höhe stattfindet, die, hat das Wasser sonst keine unterirdischen Abflüsse, blos von der hohen Lage des Punktes und von der Schnelligkeit der Zuflüsse abhängt, welche von daher die Wasservorräthe der Tiefe erhalten. Üben diese einen so starken Druck aus, daß das Wasser sich im Brunnen bis zur Bodenoberfläche erhebt, überfließt oder darüber hervorspringt, so bezeichnet man sie in neuerer Zeit mit dem Namen artesischer Brunnen (m) von der ehemaligen franz. Provinz Artois, dem heutigen Departement Pas-de-Calais, wo sie vorzüglich seit Mitte des vorigen Jahrh. häufig gebohrt werden. Schon 100 Jahre früher waren sie jedoch in Ungarn, Östreich und Oberitalien in Gebrauch, doch hat man sie erst in neuester Zeit als wichtige Hülfsmittel der Industrie und Bodencultur erkannt, indem nicht blos dürre Gegenden dadurch mit Trinkwasser versehen, sondern auch durch Bewässerung fruchtbar gemacht, Wasserräder dadurch getrieben und viele andere Vortheile erlangt werden können. Namentlich gehört dahin die Erwärmung von Fabrikgebäuden und Treibhäusern während des Winters durch Herumleiten des Wassers in denselben und das Freihalten der Mühlräder vom Eise, indem von obenher auf dieselben solches Brunnenwasser geleitet wird, das wegen der meist ansehnlichen Tiefe, aus der es kommt, gewöhnlich einen hohen Wärmegrad, in Heilbronn z.B. 10° R. besitzt.

Um solche Brunnen zu bohren, wird über dem Boden des geöffneten Schachtes, dessen Tiefe theils die Beschaffenheit des Bodens, theils das Andringen des Seihwassers bedingt, das Bohrgerüste aufgestellt und im Mittelpunkte des Schachtes der Bohrteucher, eine bis acht Zoll weite hölzerne, oder auch gußeiserne 10–20 F. lange Röhre, senkrecht so weit in den Boden eingerammt, als es derselbe erlaubt. Durch den Bohrteucher wird der Bohrer hinabgesenkt, welcher aus geschmiedetem Eisen und überhaupt aus drei Theilen besteht, nämlich aus dem eigentlichen Bohrer, der je nach der Festigkeit der Erdschichten ein verschieden geformter Lösselbohrer, für alles Gestein aber ein Meiselbohrer ist, aus den 12–15 F. langen Mittelstücken oder Bohrstangen und dem Obertheile oder Kopfstücke, das in einen Ring oder ein Auge endigt. Alle diese Theile werden am besten durch Schrauben vereinigt und sind so eingerichtet, daß die Bohrer gewechselt und die Bohrstangen durch Anschrauben mehrer beliebig verlängert werden können. Das Bohren selbst geschieht, indem man mittels eines am Ringe des Kopfstückes befestigten Seiles, das über eine senkrecht darüber am Bohrgerüst befindliche Rolle läuft, das Gestänge hebt und mit einer drehenden Bewegung fallen läßt. Der Bohrteucher erhält dabei die senkrechte Richtung desselben und wird, nachdem der Bohrschutt entweder mittels des Löffelbohrers selbst oder einer an dessen Stelle angeschraubten Büchse herausgeführt worden ist, fester eingerammt, auch nach Bedürfniß durch aufgesetzte Stücke verlängert und dient entweder dem Wasser nach beendigter Arbeit selbst als Leitungsröhre, oder erlaubt die Ausfütterung des Bohrlochs mit einer solchen. Ausführliche Belehrung über diesen Gegenstand gibt Bruckmann's »Praktische Anleitung zur Anlage sogenannter artesischer Brunnen« (Heilbr. 1832).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 333-335.
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