Chur, die

[1333] Die Chur, (sprich Kur, und so auch in den Zusammensetzungen,) plur. die -en, ein in dem gemeinen Gebrauche der Hochdeutschen veraltetes Wort, welches ehedem theils die freye Wahl bedeutete, oder die Gewalt zwischen zwey oder mehrern Dingen wählen zu können, die Chur haben, die freye Wahl haben; theils die Wahl oder Erwählung selbst; theils aber auch die durch freye Wahl und Entschließung der Obrigkeit und Unterthanen bestimmten Gesetze und fest gesetzten Strafen auf die Übertretung derselben, S. Willkühr. Diese Bedeutungen hat nicht nur das Nieders. Röhre noch jetzt, sondern sie sind auch noch in verschiedenen Zusammensetzungen üblich, die an manchen Orten noch völlig gangbar sind, und wovon einige im folgenden vorkommen werden.

Am häufigsten wird dieses Wort im Hochdeutschen noch gebraucht, von der freyen Wahl eines Hauptes des Deutschen Reiches, und da bedeutet es nicht so wohl diese Wahl selbst, als vielmehr, 1) das Recht, das Oberhaupt des Reiches wählen zu dürfen, nebst allen dazu gehörigen Vorrechten, Würden und Ländern, in welchem Falle es im Plural nicht gebräuchlich ist. Mit der Chur beliehen werden, d.i. mit der churfürstlichen Würde und Ländern. Die Chur haftet auf das Herzogthum Baiern. 2) Dasjenige Land, mit welchem Besitze dieses Recht verbunden ist, auf welches dieses Recht haftet. Mit der Chur Brandenburg beliehen werden. Noch mehr aber in den Zusammensetzungen, Chur-Brandenburg, Chur-Sachsen, Chur-Mainz, Chur-Trier u.s.f. das Churfürstenthum Brandenburg u.s.f. in welchen Zusammensetzungen das Wort Chur als ein eigenthümlicher Nahme angesehen und ohne Artikel gebraucht wird. Oft bezeichnen diese Ausdrücke auch den Fürsten, der ein solches Churland besitzet, oder dessen Gesandten. Chur-Mainz hat das Directorium auf dem Reichstage zu Regensburg, d.i. der Churfürst zu Mainz. Chur-Baiern erklärete u.s.f. das ist, der Gesandte des Churfürsten von Baiern.

Anm. Dieses Wort stammet von dem Verbo köhren, wählen, her, welches in den ältesten Zeiten nur choren geschrieben und gesprochen wurde. S. Köhren und Kiesen. In dem[1333] Hauptworte hat sich das ch, Trotz aller Versuche der Sprachlehrer und Kunstrichter, beständig erhalten; vermuthlich, weil es in der Bedeutung der Deutschen Königswahl in der Alemannischen Mundart jederzeit am häufigsten gebraucht worden. In vielen Städten heißt die Rathswahl noch jetzt die Chur oder Kühr, und in manchen Obersächsischen Dörfern ist die Kühr eine kleine Geldtstrafe, die derjenige erlegen muß, der auf Erfordern des Richters bey der Zusammenkunft der Gemeine ausbleibet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1333-1334.
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