Chur [2]

[130] Chur (ital., Coira, auch Cuera, romanisch Quera), Hauptstadt des Cantons Graubündten an der Plessur im Rheinthal, romantisch gelegen, Sitz eines Bischofs u. der Bundesbehörden, einer Post- u. Zolldirection, einer Telegraphenhauptstation, ist zum Theil noch von Mauern u. Thürmen umgeben. Den obern Theil der Stadt bildete der ehemalige fürstbischöfliche Hof, auf welchem die Domkirche mit alten Sculpturen, merkwürdigen Grabmälern, Gemälden von Holbein, Dürer u. A. liegt. Der Hof umschließt ferner das alte Schloß mit vielen archäologischen Merkwürdigkeiten, ferner die Dompropstei, das Kloster St. Lucien (jetzt Seminar) u. die in neuerer Zeit erbaute paritätische Cantonschule. In der unteren Stadt liegt die reformirte Hauptkirche St. Martin, das Regierungsgebäude, das Rathhaus. Die Stadt hat mehrere Schulen, 2 Waisenanstalten, 1 Krankenhaus. Die Bewohner treiben Transitohandel zwischen Italien u. Deutschland, Seidenbau, Baumwollenweberei, Fayence- u. Glasfabrikation, 6200 Ew. Ch. ist Geburtsort von Angelica Kaufmann. In der Nähe das Lurlibad; die Bewohner der Umgegend heißen Churwalen. – Früher standen auf der Stelle von Ch. 3 Castra: Masöl (Mars in oculis), Spinöl (Spina in oculis), Ymburg; um das letztere, an dessen Stelle das Rathhaus jetzt steht, wurde nach u. nach die Stadt erbaut, die von den Römern den Namen Curia Rhaetorum erhielt. Von der Gewalt des Bischofs, welcher schon 452 hier seinen Sitz hatte, machte sich die Stadt im 15. Jahrh. frei, trat 1519 in den Gotteshausbund u. erhielt 1460 den kaiserlichen Freiheitsbrief. 1499 trennte sich Ch. vom Deutschen Reich u. verband sich mit den Rhätischen Landen; 1526 wurde die Reformation eingeführt. Zur Vernichtung der Reformirten verband sich der Bischof mit dem Abt von St. Lucien u. mehreren weltlichen Herren, doch wurde es verrathen u. der Abt enthauptet. 1622 wurde Ch. von den Prättigauern eingenommen, aber 1623 von den Österreichern wieder genommen, 1624 wurde es wieder von den Schweizern u. Franzosen zur Übergabe gezwungen, kam aber 1629 wieder an Österreich. Im Oct. 1798 besetzten die Österreicher auf Wunsch der Regierung die Stadt, welche am 7. März 1700 von Massena eingenommen wurde. – Das Bisthum Ch. soll von dem Apostel Petrus selbst, nach And. wahrscheinlicher um 450 gegründet worden sein, der erste Bischof war Asimo. Das bischöfliche Gebiet war sonst sehr groß u. erstreckte sich fast über das ganze Bündtnerland. Bischof Egino erhielt von Kaiser Friedrich I. den Titel als Fürstbischof, hielt einen förmlichen Hof, an welchem die Erzherzöge von Österreich Erbschenken, die Ritter von Marmels Erbmarschälle, die Grafen von Mätsch Erbtruchsesse, die Freiherrn von Belmont Erbkämmerer waren. Da die Bischöfe die Reichstage zu besuchen lange versäumt hatten, so hielt 1642 der Bischof Johannes Flug von Aspermont um Sitz u. Stimme auf dem Reichstag an, die er auch erhielt. Von der Hoheit des Bisthums kauften sich die meisten Gemeinden bei der Religionsveränderung los, u. die weltlichen Besitzungen des Bischofs wurden 1802 der Schweiz zur Entschädigung für andere Abtretungen überlassen. Zum Bisthum Ch. gehören 10 Kapitel u. 86 Pfarreien im Canton Graubündten, außerdem erstreckt sich der Sprengel über Uri, Schwyz, Unterwalden etc. Der Bischof bedarf der Bestätigung seitens der Cantonalregierung. Seit 1844 ist Caspar Karl von Hohenbalken Bischof von Ch. Wappendes Bisthums: ein schwarzer springender Steinbock in silbernem Felde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 130.
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