Edel

[1635] Êdel, edler, edelste, adj. et adv. welches von den ältesten Zeiten an in sehr verschiedenen Bedeutungen gebraucht worden.

1. * Die erste und älteste Bedeutung, wenigstens von welcher man in Schriften Nachricht hat, ist verwandt, von dem alten nordischen Worte Ätt, Geschlecht, S. Atte. Daß diese Bedeutung, in welcher auch Edel und Adel als Hauptwörter für Geschlecht üblich waren, die älteste ist, hat Ihre v. Adel sehr weitläufig und überzeugend erwiesen. Bey dem Isidor heißt es Kap. 5, Chechundemes auh nu des edhili endi odhili, nun wollen wir auch sein Geschlecht und Vaterland zeigen. Und bey dem Ottfried B. 4, Kap. 15: Thar sihit er thuz edili, joh fines selbes bilidi, da siehet er seine Verwandtschaft und sein eigenes Bild. In einer alten geschriebenen Übersetzung der Bibel bey dem Frisch heißt es 2 Kön. 15: Afaria liegt begraben bey seinen Meren oder Edelen, d.i. bey seinen Vätern oder Vorfahren. Da nun in den ältesten Zeiten nur allein die Freygebornen ein Geschlecht und eine Familie hatten, so kam es, daß das Wort edel nachmahls,[1635]

2. Auch einen jeden Freyen, oder Freygebornen bedeutete. Ihre hat auch diese Bedeutung aus alten Schwedischen Stellen sehr gelehrt bewiesen, und zugleich bemerket, daß edel in diesem Verstande mit dem Franz. Gentilhomme und Engl. Gentleman sehr genau überein komme, welche gleichfalls von dem Lat. Gens, Geschlecht, abstammen.

3. Allein man machte doch auch schon sehr frühe einen Unterschied unter den Freyen, und nannte nur diejenigen edel, welche sich unter ihnen durch besondere Verdienste hervor thaten. In diesem Verstande war edel sehr lange ein vorzüglicher Ehrentitel der Glieder des hohen Adels, die Fürsten selbst nicht ausgenommen, welche sich sehr häufig edle Herren, edle Fürsten, edle Grafen, zu schreiben pflegten. Noch 1331 nannte der Graf von Hohenlohe die Pfalzgrafen am Rheine die edila hochwerdigen Herren, S. C. L. Scheidts Nachrichten von dem hohen und niedern Adel. Noch jetzt ist die Würde eines Edelen des Reichs oder Edelen Herren eine Würde, welche einen Freyherren bedeutet, und von dem Kaiser ertheilet wird, obgleich diejenigen, welche solche erhalten, sie oft so wenig kennen, daß sie sich über den Titel eines Freyherren noch ein eigenes Diplom geben lassen. Die Edlen zu Venedig.

4. Ob man nun gleich schon ältere Beyspiele findet, daß Personen des niedern Adels gleichfalls edel genannt worden, so ward doch dieser Titel zu Anfange des 15ten Jahrhundertes, da der hohe Adel andere Titel anzunehmen anfing, ihnen besonders eigen, und von ihnen werden die Wörter Edelmann, Edelfrau u.s.f. nur noch allein gebraucht; obgleich das Wort edel selbst in dieser Bedeutung ungewöhnlich geworden, seitdem adelig mehrern Beyfall gefunden. Doch werden noch die Glieder der Reichsritterschaft von dem Kaiser Edle, die Directores und Ausschüsse aber Wohlgeborne und Edle genannt. Auch der Magistrat der Reichsstadt Nürnberg bekommt vermöge einer besondern Vergünstigung von dem Jahre 1697 von dem Kaiser den Titel Edel, dagegen andere nur Ehrsam von ihm genannt werden. Denn das Wort edel blieb auch nicht lange ein Ehrentitel des niedern Adels, sondern ward gar bald

5. Auch dem bürgerlichen Stande eigen, unter welchem diejenigen, die sich durch Gelehrsamkeit und Verdienste von andern unterschieden, edel und Edele genannt wurden. Und in diesem Verstande sind noch jetzt die Wörter edel, wohledel, hochedel, edelgeboren, wohledelgeboren, und hochedelgeboren üblich, die man Personen bürgerlichen Standes nach Maßgebung ihrer Würde ertheilet. S. diese Wörter. Das einfache edel hat dabey von seiner alten Würde so viel verloren, daß man es heut zu Tage sogar geringen Bürgern und kleinen Krämern beyleget, obgleich auch diese wohledel und hochedel genannt seyn wollen.

6. Am häufigsten wird dieses Wort in figürlichem Verstande gebraucht, und da bedeutet es, 1) * rechtmäßig, echt, von welcher veralteten Bedeutung Frisch v. Adel einige Beyspiele angeführet hat. 2) Vorzüglich, das Beste in seiner Art, in welchem Verstande schon Isidor adhal gebraucht. Die Edlen des Volkes, in der biblischen und höhern Schreibart, die vornehmsten, die würdigsten Personen in einem Staate, nicht allein dem Stande, sondern auch der Tugend, der Denkungsart nach. Die Edelsten in Israel sind auf deiner Höhe erschlagen, 1 Sam. 1, 19.


Der Himmel, der sich nur die Rache vorbehält,

Wählt sich zum Werkzeug nie die Edelsten der Welt,

Weiße.


Nach einer noch weitern Figur werden im gemeinen Leben auch leblose Körper edel genannt, wenn sie sich durch vorzügliche Eigenschaften von andern Dingen, so wohl ihrer, als fremder[1636] Art unterscheiden. Nimm die besten Specereyen, die edelsten Myrthen, 2 Mos. 30, 27. Ein edler Gang, ein edles Gebirge, edles Erz, werden im Bergbaue ein reichhaltiger Gang, ein reichhaltiges Gebirge, ein reichhaltiges Erz genannt. Edle Metalle, welche im Feuer unverändert bleiben, wie Gold und Silber, zum Unterschiede von den unedlen. Die ältern Kräuterkenner, setzen vielen Nahmen der Pflanzen das edel vor, um sie von unkräftigern oder gemeinern ihrer Art zu unterscheiden; edel Gamanderlein, edel Leberkraut u.s.f. und bey den Jägern wird ein völlig ausgewachsener Hirsch ein edler Hirsch genannt. Indessen ist doch diese ganze Figur beynahe veraltet, außer daß sie in dem höhern Style noch von Personen gebraucht wird. 3) Kostbar, köstlich, schätzbar. Er wird sein Füllen an den Weinstock binden und seiner Eselinn Sohn an den edlen Reben, 1 Mos. 49, 11. Da sind edle Früchte vom Himmel, -da sind edle Früchte von der Sonnen u.s.f. 5 Mos. 33, 13. Es ist eine edle Sache um den Hausfrieden. Auch diese Bedeutung fängt an seltener zu werden, vermuthlich weil sie von den Dichtern der ältern und neuern Zeiten zu sehr gemißbrauchet worden. 4) Was sich von dem Gewöhnlichen und Gemeinen auf eine vorzügliche Art unterscheidet, und dessen höchsten Grad man erhaben nennet. Edle Gesinnungen. Edel denken. Edel handeln. Wie edel gesinnt ist ihre Seele! Gell. Eine edle Kühnheit. Deine Seele ist werth, einen edlern Stolz zu haben. Er hat viel Edles in seinen Mienen.


Welch edler Anstand herrscht in seinen jungen Mienen!

Weiße.


Die edle Schreibart, die eine genaue Auswahl der Wörter und Gedanken beobachtet, im Gegensatze der gemeinen und niedrigen. Das Edle in den schönen Künsten, was sich über die gemeinen Bilder und Vorstellungen erhebt. Ein Mahler kann auch gemeine Sachen edel behandeln.

Anm. Edel und Adel sind genau verwandt, und bloß der Mundart nach verschieden. Edel wurde ehedem auch als ein Hauptwort für Adel gebraucht, und das Beywort edel lautete vor diesem mehrmahls adel, wofür jetzt in den eigentlichern Bedeutungen von dem Vorzuge des Standes adelig üblicher ist. Die drey e, welche in der Verlängerung des Wortes dem Gehöre unangenehm fallen, machen, daß man gern eines derselben wegwirft. Im Positive und Comparative widerfähret solches dem zweyten, der edle, die Edlen, edler, für edele, Edelen, edeler; im Superlative aber darf es nicht weggeworfen werden, edelster, die Edelsten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1635-1637.
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