Erbe, das

[1857] Das Êrbe, des -s, plur. ut nom. sing. ein altes Wort, welches seit tausend Jahren mancherley Veränderungen in seinen Bedeutungen erlitten hat. Dem Ihre nach folgen dessen Bedeutungen so auf einander. 1. Ursprünglich bedeutete es die Erde, wie aus dem Latein. arvum, dem Wallis. ar, Erde, und erw, ein Acker, dem Isländ. urfa, pflügen, und Griech. ερα erhellet, S. Ären und Erde. Im Deutschen ist diese allgemeinste Bedeutung veraltet, außer daß noch einige im Bergbaue übliche zusammen gesetzte Wörter etwas davon aufzubehalten scheinen, wo das Wort Erbe aber auch die Bedeutung eines Eigenthumes leidet. S. Erbbau, Erbbereiten, Erbfluß u.s.f. 2. Eigenthümliche Grundstücke, Grund und Boden mit seinem Zubehör, welche Bedeutung noch in dem gemeinen Sprachgebrauche vieler Gegenden Deutschlandes übrig ist. Diese Bedeutung hat Arbe bey dem Isidor, Erbe bey dem Ottfried,[1857] das Angels. Yrfe, Arf, Arft, Erue bey den ältern und neuern Schweden, und Arve, Erve im Niedersächsischen. 1) Eigenthümliche Grundstücke überhaupt. Erbe und Eigen, wo Erbe ein ererbtes Gut bedeutet, welches man ohne Einwilligung seiner Kinder und muthmaßlichen Erben nicht veräußern kann, Eigen aber ein selbst erworbenes Gut, womit man nach Belieben schalten kann; beyde im Gegensatze des Lehens.


Baide ir Erbe und ir aigen

Vnd darzu alle ir varende habe,


im Strykers altem Gedichte. Darum sollen die Leviten kein Theil noch Erbe haben mit ihren Brüdern, 5 Mos. 10, 9. Ich will euch ein Land zum Erbe geben, darin Milch und Honig fleußt, 3 Mos. 20, 24; und so in andern Stellen mehr, wo es auch zuweilen für ein jedes Eigenthum gebraucht wird. Daß du unserer Missethat gnädig seyest, und lässest uns dein Erbe seyn, 2 Mos. 34, 9. Sprichw. Biedermanns Erbe liegt in allen Landen. 2) Ein eigenthümliches Gut, im Gegensatze eines Lehengutes, allodium; welche Bedeutung in den vorigen Jahrhunderten häufig vorkommt. Es ist Erbe und nicht Lehen. Sucht Pallas Liebling auf, der für sein Erbe streitet, Raml. 3) Ein Gut, besonders ein Bauergut, welches der Theilung unterworfen ist. Daher gibts in Thüringen ganze halbe und viertel Erbe. 4) Ein Haus, welches man eigenthümlich besitzet, welche Bedeutung noch in vielen Gegenden üblich ist. Daher ein Backerbe, ein Backhaus, ein Brauerbe, ein Brauhaus, u.s.f. in Hamburg und an andern Orten. 3. Arbeit, besonders die Feld- und Ackerarbeit; welche veraltete Bedeutung Erf und Erfid noch bey den Isländern hat, wo auch erfida arbeiten, und arfwid arbeitsam ist. Ihre ziehet auch die Stelle aus dem Ottfried B. 1, Kap. 5 hierher, wo von der Jungfrau Maria gesagt wird: Jh bin, quad siu, Gotes thiu, zi erbe geboraniu, ich bin, sprach sie, Gottes Magd, zur Arbeit geboren; wo es Schilter übersetzt hatte, zu Hause geboren. S. Arbeit. 4. Alles was man durch seine Arbeit erwirbt, welche gleichfalls veraltete Bedeutung mit der vorigen zweyten zusammen fließt. Daher bedeutet Yrf, Yrfe im Angelsächsischen eine jede erworbene Sache, selbst das Vieh, und aerfwa erwerben, welche Bedeutung auch erben 4 Mos. 32, 19 hat: wir wollen nicht mit ihnen erben jenseits des Jordans. Selbst das Deutsche werben scheinet hierher zu gehören. 5. Güter, welche uns von andern erworben worden, besonders wenn sie uns nach ihrem Tode als ein Eigenthum überlassen werden, in welchem Verstande dieses Wort noch häufig für Erbschaft gebraucht wird. Das väterliche, das mütterliche Erbe, dasjenige was jemand von seinem Vater, von seiner Mutter erbet. Das dritte Gebethbuch hat sie aus dem väterlichen Erbe bekommen, Gell. Wenn die Zeit kommt, daß er seinen Kindern das Erbe austheile, 5 Mos. 21, 16. Wenn jemand stirbt, und hat nicht Söhne, so sollt ihr sein Erbe seiner Tochter zuwenden, 4 Mos. 27, 8; und so in andern Stellen mehr.

Anm. Vielleicht ließen sich die jetzt angeführten Bedeutungen dieses Wortes richtiger so ordnen. 1) Erde. 2) Deren Bearbeitung. 3) Was dadurch erworben wird, jedes Eigenthum; besonders 4) eigenthümliche Grundstücke. 5) Fremder Erwerb, so fern er nach des Erwerbers Tode unser Eigenthum wird.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1857-1858.
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