Furcht, die

[364] Die Furcht, plur. car. die Unlust über ein bevorstehendes Übel, es mag nun wirklich, oder nur in der Einbildung bevorstehen. 1) Eigentlich, besonders über ein bevorstehendes physisches Übel. Furcht haben, empfinden. Einem Furcht machen; im gemeinen Leben, ihm eine Furcht einjagen. Jemanden in Furcht setzen. In Furcht gerathen. Vor Furcht zittern. Wegen einer Sache in Furcht seyn oder stehen. Etwas aus Furcht[364] thun. Einem die Furcht benehmen. Es kam ihn eine Furcht an. Voller Furcht seyn. Die Sache, welche als ein Übel angesehen wird, oder die wirkende Ursache desselben ist, bekommt das Vorwort vor. Die Furcht vor Gespenstern, vor dem Gewitter, vor der Strafe, vor dem Tode. Im Oberdeutschen stehet sie mit Auslassung des Vorworts auch in der zweyten Endung. Die Furcht des Todes, Ps. 55, 5; Ebr. 2, 15. Die Furcht Gottes kam über alle Heiden, 1 Chron. 15, 17. Wenn Furcht die Unlust über den möglichen Verlust eines erwarteten Guten ist, so wird sie der Hoffnung entgegen gesetzt. Zwischen Furcht und Hoffnung schweben. Oft bezeichnet man durch den Ausdruck Furcht die Furcht vor Gespenstern. Er weiß von keiner Furcht. Ohne Furcht im Finstern gehen. 2) Figürlich, die Vorsichtigkeit andere nicht zu beleidigen, Ehrfurcht. Furcht dem die Furcht gebühret, Röm. 13, 7. Mit Furcht zur Verantwortung bereit seyn, 1 Petr. 3, 16. Ein Mensch der weder Furcht noch Scheu hat. Die kindliche Furcht, wenn sie aus Liebe herrühret. Die knechtische Furcht, wenn sie bloß Furcht vor der Strafe ist. In engerm Verstande ist in der Deutschen Bibel und der Gottesgelehrsamkeit, die Furcht vor Gott, oder nach der Oberdeutschen von Luthern beybehaltenen Mundart, die Furcht Gottes, Gottesfurcht, die Sorgfalt, alle Beleidigungen Gottes in seinem Thun und Lassen zu vermeiden, da denn dieses Wort oft den ganzen innern und äußern Gottesdienst ausdruckt. In der Furcht Gottes wandeln, Apostelg. 9. 31. Die Furcht des Herren ist der Weisheit Anfang, Ps. 111, 10.

Anm. Furcht, bey dem Ulphilas Faurht, bey dem Kero und Ottfried Foraht, bey dem Notker Forht, im Isidor Forahta, im Angels. Ferht, Firhto, im Nieders. mit der nicht ungewöhnlichen Versetzung des r, Frucht, Engl. Fright, Holländ. Vrucht, Dän. Frygt. Es gehöret zu dem Geschlechte der Wörter Befahren und Gefahr. Im Schwedischen bedeutet Fara und im Engl. Fear noch jetzt Furcht. Auch das Lat. Pavor und vereri, das Ital. Paura, das Franz. Peur, und Griech. φριγƞ, Schauer, Schrecken, und φρισσω oder φριττω, Schauer empfinden, sind genau damit verwandt; daher Furcht nicht von vor und achten herkommen kann, wie sich manche wegen der alten gedehnten Schreibart Foraht eingebildet haben. Es bedeutete ursprünglich denjenigen hohen Grad der Furcht, welcher sich durch einen Schauer und durch Zittern an den Tag leget, daher Ottfried forahtan noch für zittern gebraucht. Der Plural, der im Oberdeutschen wenigstens in der zweyten und dritten Endung nicht ungewöhnlich ist, ist im Hochdeutschen unbekannt.


Wer dich in Frieden schaut ist aller Furchten frey,

Opitz.


Erlöse dieses Land von Furchten und Beschwer,

Opitz.


Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 364-365.
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