Halle, die

[919] Die Halle, plur. die -n, ein sehr altes Wort, welches überhaupt ein bedecktes Gebäude, einen bedeckten Ort bedeutet, besonders aller folgende Gebäude dieser Art bezeichnet.

1) Eine an ein größeres Gebäude angebauete Hütte oder Bude, welche oben bedeckt ist, an den seiten aber auch offen seyn kann. In diesem Verstande wurden die an größern, besonders öffentlichen Gebäuden angebaueten Kramläden dieser Art, welche in Leipzig Bühnen, d.i. Buden, heißen, schon in den ältesten Zeiten Hallen genannt, und an einigen Orten führen sie diesen Nahmen noch. In weiterer Bedeutung hießen hernach alle Kaufhäuser, oder öffentliche Gebäude, worin mehrere Kaufleute ihre Waaren feil hatten, Hallen, im mittlern Lat. Halae, Halli, im Franz. Halles, und an einigen Orten führen sie diesen Nahmen noch.

2) Besonders, ein oben bedecktes Vorgebäude an den Kirchen, und öffentlichen Gebäuden, besonders vor den Thüren derselben; ein Vorhof vor einem solchen Gebäude, besonders wenn er bedeckt ist. Salomo bauete eine Halle vor dem Tempel, zwanzig Ellen lang, 1 Kön. 6, 3. Ingleichen eine Halle von Säulen, eine Gallerie, Griech. σωƞ, vor seinem Pallaste, 50 Ellen lang und 30 Ellen breit, und noch eine Halle vor diese mit dicken Säulen und Balken, ingleichen eine Halle zum Richtstuhl, darin man Gericht hielt, 1 Kön. 7, 6. 7. Die Halle am Thor, Ezech. 40, 8. In dem 1523 zu Basel gedruckten neuen Testamente Luthers wird Halle durch Vorlaube, Fürschopf, (S. Schoppen,) Yngang erkläret. Auch in dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, wo man es nur noch zuweilen von dem bedeckten Platze vor einer Kirchthür gebraucht. An andern Orten führet auch wohl der innere Raum einer Kirche zunächst an den Hauptthüren, besonders unter dem Glockenthurme diesen Nahmen. Eine solche Halle wurde in den katholischen Kirchen ehedem auch eine Leichhalle, oder ein Laithaus genannt, weil die Laien- oder Lautpriester darin Messe lesen durften.

3) * Ein großer Saal, besonders so fern er zu öffentlichen Versammlungen bestimmt ist, und ehedem an den Seiten nur frey stehende Säulen hatte, und in weiterer Bedeutung auch wohl ein[919] jeder Saal. Auch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet, ob sie gleich ehedem in mehrern Sprachen sehr häufig war; wie aus dem Angels. Healle, dem Engl. Hall, und hundert andern erhellet. Bey dem Ulphilas bedeutet Alh, so wie im alt Schwed. Hall, einen Tempel. Das Griech. αυλƞ, und Lat. Aula, haben den Hauch gleichfalls noch nicht. Durch einen gewöhnlichen Übergang des Hauchlautes in den Zischlaut ist unser Deutsches Saal, Franz. Salle, Ital. Sala, daraus entstanden.

4) Ein jedes oben bedecktes und an den Seiten offenes Gebäude. Der Teich zu Bethesda hatte fünf Hallen, Joh. 5, 2. Auch diese Bedeutung ist im Deutschen veraltet, außer daß sie noch zuweilen von den Salzkothen gebraucht wird, welche an einigen Orten noch Hallen oder Salzhallen heißen. Noch häufiger wird es als ein Collectivum gebraucht, alle bey einem Salzwerke befindliche und dazu gehörige Kothen und Gebäude zu bezeichnen; wo es denn endlich zu einem eigenthümlichen Nahmen geworden ist, daher noch so viele Orte in Deutschland von den noch jetzt daselbst befindlichen, oder doch ehemahligen Salzwerken, Halle genannt werden. Zu Halle in Sachsen heißt das Thal, worin die Salzbrunnen befindlich sind, die Halle. S. Hallor. Es hat Sprachforscher gegeben, welche Halle in dieser Bedeutung von ἁλς, Sal, Salz, herleiten wollen; allein man hat in den verwandten Sprachen mehrere Beweise, daß Halle eigentlich ein jedes Gebäude bedeutet habe, wohin das mittlere Latein. Hala, und das alte Schwed. Hall gehören; zumahl da viele Orte den Nahmen Halle führen, welche nie Salzbrunnen oder Salzwerke gehabt haben. Indessen, so seyn die Salzbrunnen gemeiniglich in Thälern angetroffen werden, daher die ganze Gegend derselben zu Halle in Sachsen auch nur das Thal, und die Salzarbeiter oder Halloren Thalleute heißen, so kann auch Halde, oder nach weichern Mundarten Halle, die abhängige Seite, und figürlich, ein Thal, mit in Betrachtung kommen.

Anm. Das hohe Alter dieses Wortes und die Übereinstimmung seines Lautes mit so vielen andern ähnlichen, macht dessen Abstammung schwankend und ungewiß; ob es gleich an Muthmaßungen nicht fehlet, welche sich ohne Mühe noch mehr würden häufen lassen, wenn man einigen Nutzen davon haben könnte. Siehe auch Gallerie, welches davon abzustammen scheinet. Daß Halle in einigen Mundarten so viel als Halde ist, ist schon bey diesem Worte angemerket worden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 919-920.
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