[1138] Die Hêrrschaft, plur. die -en, von Herr, in dessen vorzüglichen und engeren Bedeutung, so wohl in Ansehung der Gewalt, als auch des Eigenthumes. 1. Als ein Abstractum und ohne Plural, die Gewalt, andern zu befehlen, besonders andern willkührliche Befehle zu ertheilen, und wenn der Gegenstand eine Sache ist, die Gewalt, dieselbe als sein Eigenthum zu gebrauchen. Auf daß seine Herrschaft groß werde, Es. 9, 7. Deine Herrschaft währet für und für, Ps. 145, 13. Unter jemandes Herrschaft stehen. Zur Herrschaft über Land und Leute gelangen, zur Regierung. Ein Land unter seine Herrschaft bringen, unter seine Gewalt, Bothmäßigkeit. Jemanden der Herrschaft entsetzen, der Regierung, der Gewalt. Die Herrschaft führen. Die Frau hatte die Herrschaft über den Mann. In welcher ganzen Bedeutung es doch, vermuthlich wegen der Zweydeutigkeit mit den folgenden Bedeutungen, zu veralten anfänget, wo man es nur noch am häufigsten im figürlichen Verstande gebraucht. Das Glück hat große Herrschaft über uns, große Gewalt. Eine Neigung hat die Herrschaft über andere Neigungen, wenn sie stärker ist, als die andern. Die Herrschaft über sich selbst haben, über seine Leidenschaften und Neigungen. 2. Als ein Concretum, mit dem Plural. 1) Eine mit der Herrschaft bekleidete Person, eine Person, welche berechtiget ist, andern willkührlich zu befehlen. Du König aller Götter und Herrschaften, St. Esth. 3, 9. Die die Herrschaften verachten und die Majestäten lästern, Br. Jud. 9. In diesem Verstande ist es noch in folgenden Fällen üblich. (a) Als ein Collectivum, so wohl im Singular allein, als im Plural allein, von mehrern die höchste Gewalt habenden Personen, der Landesherr und dessen Familie. Die hohe Landesherrschaft. Die durchlauchtigste Herrschaft ist heute ausgefahren, oder die durchlauchtigsten Herrschaften sind ausgefahren. Die junge Herrschaft, oder die jungen Herrschaften, die Kinder des Landesherrn oder Herrn. (b) An einigen Orten führet auch die höchste gegenwärtige Obrigkeit eines Ortes den Nahmen der Herrschaft. Am häufigsten ist es in dieser Bedeutung auf dem Lande, von dem Gerichtsherrn und dessen Familie, in Beziehung auf die Unterthanen. Eine gute Herrschaft haben. Jemanden bey der Herrschaft verklagen. (c) Vornehme Personen werden von geringern sehr häufig Herrschaft, oder im Plural Herrschaften genannt, so wohl collective, als auch von einzelnen Personen. Es ist eine fremde Herrschaft hier angekommen, ein fremder vornehmer Herr, er mag sich nun allein befinden, oder seine Familie bey sich haben. (d) In der häuslichen Gesellschaft werden Herr und Frau von dem Gesinde die Herrschaft genannt. Seiner Herrschaft treu und redlich dienen. Sie wissen nicht, was Herrschaften für eine Noth mit dem Gesinde haben, Gell. Wo es auch von einzelnen Personen gebraucht wird. Unsere gnädige Frau ist jetzt die beste Herrschaft von der Welt, Weiße. 2) Das Gebieth, über welches jemand Herr ist, über welches er zu befehlen hat. Die ganze Herrschaft zu Dor, 1 Kön. 4, 11. Es war nichts in seiner ganzen Herrschaft, das ihnen Hiskia nicht zeigte, 2 Kön. 20, 13. In der ganzen Herrschaft meines Königreiches, Dan. 6. 26. Auch hier ist es von dem Gebrauche eingeschränket worden, wo man es am häufigsten nur noch in folgenden Fällen gebraucht. (a) Der Gerichtsbezirk, das einem Gerichtsherren unterworfene Gebieth. In eine fremde Herrschaft ziehen. (b) In noch engerm Verstande ist die Herrschaft ein Gebieth, welches einem Herrn im engern Verstande, d.i. einem Dynasten, einem Freyherren, als einem solchen Herren, unterworfen ist, welches in[1138] Schlesien eine Standesherrschaft genannt wird, S. dieses Wort. Die Herrschaft Wartemberg in Schlesien, die Herrschaft Wolgast in Pommern, die Herrschaft Anholt in Westphalen u.s.f. In Baiern führet ein jedes Rittergut, welches die obere Gerichtsbarkeit besitzet, den Nahmen einer Herrschaft.
Anm. Als ein Abstractum schon bey dem Notker Herscaft, dagegen in dem Isidor und spätern Schriften Haerduom, Herrthum, selbst im Concreto von einem Fürsten vorkommt. Stryker gebraucht Herscaft auch für einen Befehl, ingleichen im Abstracto als einen Titel, ewer Herscaft, im mittlern Lat. vestra dominatio. S. -Schaft.