Kirren (1)

[1589] 1. Kirren, verb. reg. welches eine gewisse Art eines kleinen scharfen zitternden Lautes oder Schalles nachahmet, der sich besser empfinden als beschreiben lässet. Es ist in doppelter Gestalt üblich.

1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, diesen Laut oder Schall machen, von sich geben, wo es in verschiedenen Fällen, doch am häufigsten in den gemeinen Mundarten, vorkommt. 1) * Von den Rädern eines Wagens, wenn die Achse nicht geschmieret ist, ingleichen von einem beladenen Wagen selbst; im Hochdeutschen knirren und knarren. Ein Wagen voll Garben kirret, Amos 2, 13. 2) * Von dem Schalle, welcher entstehet, wenn man die Zähne auf einander beißet, und sie in solcher Stellung auf einander reibet; im Hochdeutschen knirschen. Deine Zähne kirren, Sir. 30, 10. 3) Von der natürlichen Stimme mancher Thiere, z.B. der Tauben, der Meyen, der[1589] Hühner, wenn sie einen Raubvogel sehen, wenn sie ihre Jungen locken u.s.f.


Hier sieht man fröhlich irren

Um ihre Körbe her mit einem süßen Kirren

Der frommen Tauben Schar,

Opitz.


Die Turteltauben kirren, wenn sie einander locken. Von der sanftern, ängstlich klingenden Stimme der Tauben und einiger andern Vögel ist im Hochdeutschen das weichere girren üblich; obgleich Ezech. 7, 16 auch kirren in diesem Verstande vorkommt: wie die Tauben in den Gründen, die alle unter einander kirren.

2. Als ein Activum, vermittelst einer solchen kirrenden Stimme locken. 1) Eigentlich. So kirren die Hühner ihre Jungen, wenn sie solche zu einer gefundenen Speise locken, oder sie wegen eines gesehenen Raubvogels zu sich rufen. 2) In weiterer Bedeutung, durch vorgehaltene, oder hingelegte Speise locken, in welchem Verstande die Jäger das Wildbret kirren. Den Fuchs an einen bestimmten Ort kirren, wo es aber auch aus körnen entstanden seyn kann, welches gleichfalls in diesem Verstande üblich ist. Daher die Kirrung, bey den Jägern so wohl die Handlung des Kirrens, als auch der Ort, wohin man wilde Thiere kirret, als endlich auch die Lockspeise, welche man dazu gebraucht. Ja in weiterer Bedeutung wird es zuweilen für Speise überhaupt gebraucht. So nehmen die Fasanen bey den Jägern ihre Kirrung zu sich, wenn sie essen, oder sich äsen; welches die Abstammung von körnen zu bestätigen scheinet. 3) Figürlich für reitzen, locken, überhaupt, im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart.


Der Arzt, der seinen Gegner scheut,

Kirrt ihn durch falsche Zärtlichkeit,

Haged.


Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1589-1590.
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