Mündel, der

[312] Der Mündel, des -s, plur. ut nom. sing. eine unmündige, der Vorsorge eines Vormundes anvertraute Person. Ich lasse mir die Wahl meines Mündels sehr wohl gefallen, Gell. Es stammet vermuthlich von Mund, Schutz, oder vielmehr von dem veralteten Zeitworte munden, schützen, und der Ableitungssylbe -el her, welche hier keine Verkleinerung, sondern eine Person bezeichnet, von welcher etwas gesagt wird, eine dem Schutze eines andern anvertrauete Person, und im engern Verstande, ein seiner Ältern oder doch des Vaters oder der Mutter beraubtes, und der Obsorge eines Vormundes anvertrautes minderjähriges Kind. In Ansehung des Geschlechtes sind die Mundarten, oder vielmehr nur einzelne Schriftsteller sehr verschieden. Manche gebrauchen es im ungewissen Geschlechte, die unmündige Person mag männlichen oder weiblichen Geschlechtes seyn, andere sagen im männlichen der Mündel und im weiblichen die Mündel, noch andere in beyden Fällen im männlichen Geschlechte. Die letztern scheinen die meiste Analogie für sich zu haben, weil Findel, welches in vielen Gegenden für Findling üblich ist, eben so gebraucht wird, es auch mehrere männliche Wörter auf -el gibt, welche von beyden Geschlechtern üblich sind, dergleichen z.B. Flegel, Tölpel, Teufel u.s.f. sind, wenn sie als Schimpfnahmen gebraucht werden. Da die Ableitungssylben -el, -ling oder -lein in vielen Fällen mit einander abwechseln, so ist in manchen Gegenden für Mündel auch Mündling und Mündlein üblich. Das mittelste, welches ohne Widerrede ein Masculinum allein ist, wird so wie Findling und Liebling von beyden Geschlechtern gebraucht; das letztere aber ist, vermuthlich weil man es für eine verkleinernde Form gehalten, ungewissen Geschlechtes, das Mündlein. Diejenigen, welche einen Mündel weiblichen Geschlechtes die Mündel nennen, müssen im Plural auch die Mündeln sagen, weil die weibliche Endung -el diese Form erfordert. Gottsched machte es in allen Fällen zu einem weiblichen Worte, dessen Plural dem Singular gleich sey; allein er hatte dazu wohl so wenig Grund als in andern ähnlichen Fällen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 312.
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