Muth (3), der

[335] 3. Der Muth, des -es, plur. car. Diminut. welches doch nur in Einer Bedeutung üblich ist, das Müthchen, Oberd. Müthlein.

1. * Das ganze Begehrungsvermögen des Menschen, die Seele in Ansehung ihres Begehrungsvermögens; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, für welche nunmehr Gemüth und Herz üblich sind. Es lautet in diesem Verstande schon bey dem Übersetzer Isidors Muot, bey dem Kero Muat, bey dem Ottfried und andern ältern Schriftstellern Muot.


Du wonest mir in dem muote

Die nacht und ouch den tag,

Kaiser Heinrich.


Der Herr verhärtete ihm seinen Muth und verstockte sein Herz, 5 Mos. 2, 30. In noch weiterm Verstande kommt es bey dem Ottfried und seinen Zeitgenossen von der Seele und einem Geiste überhaupt, und von dem Gewissen und Willen insbesondere, mehrmahls vor.

2. * In engerm Verstande, das Gemüth in Ansehung des veränderlichen Zustandes desselben, die Gemüthsart, Gemüthsstellung. Lustiger Muth macht gutes Blut. Stolzer Muth[335] kommt vor dem Fall, Sprichw. 16, 18. Ich mag des nicht, der stolze Geberden und hohen Muth hat, Ps. 101, 5. Ein guter Muth ist ein tägliches Wohlleben, Sprich. 15, 15. Ein betrübter Muth vertrocknet das Gebein, Kap. 16, 22. Auch diese Bedeutung ist, außer den Zusammensetzungen Demuth, Großmuth, Hochmuth, Langmuth, Sanftmuth, Edelmuth u.s.f. im Hochdeutschen veraltet.

3. In noch engerer Bedeutung, einzelne Stellungen des Gemüthes oder Begehrungsvermögens. Bey den ältern Schriftstellern kommen fast alle Leidenschaften und Gemüthsbewegungen unter dem Nahmen des Muthes vor. Bey dem Ottfried ist Gemuat die Freude, das Vergnügen; von welcher Bedeutung noch der Gegensatz Unmuth zeuget. S. auch Anmuth. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt es von dem Grame vor.


Schiere ward si fro

Vnd ward geringet ir der Muot,

Graf Otto von Botteleuben.


Außer den Zusammensetzungen Schwermuth, Mißmuth, Wankelmuth, Wehmuth u.s.f. kommt es in dieser Bedeutung noch in folgenden Fällen vor.

1) Von der Gemüthsstellung überhaupt; doch nur noch in einigen Fällen. Dahin gehören die in der vertraulichen Sprechart üblichen R.A. zu Muthe seyn und zu Muthe werden. Wie ist dir zu Muthe? was empfindest du? Es ist mir bey der Sache nicht wohl zu Muthe, ich verspreche mir von ihr nicht viel Gutes, stehe wegen derselben in Furcht. Wie war dir da zu Muthe? Reiche wissen nicht, wie einem Armen zu Muthe ist, was der Arme empfindet.


Wem so zu Muthe wird, der fängt schon an zu lieben,

Rost.


Ingleichen, gutes Muthes seyn, aufgeräumt, heiter seyn; im Gegensatze des Unmuthes. Seyn sie heute gutes Muths, Gell. Jetzt wollen wir recht gutes Muthes seyn. Guter Muth ist halbes Leben, im gemeinen Leben. Der Übermuth ist ein ausschweifender Muth in diesem Verstande. Im Engl. ist Mood die Laune. S. Muthig 2.

2) Von einzelnen Gemüthsbewegungen und Leidenschaften, wo es noch in zwey Fällen üblich ist. (a) Denjenigen Gemüthszustand zu bezeichnen, da man den vorher gesehenen Hindernissen und Gefahren mit zuversichtlicher Hoffnung eines guten Ausganges entgegen gehet, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit dieses Gemüthsstandes; im Gegensatze der Muthlosigkeit und Zagheit. Voller Muth seyn, Muth haben, keinen Muth haben. Einem Muth machen, ihm Muth einsprechen. Einen Muth fassen, schöpfen. Den Muth sinken lassen. Einem allen Muth benehmen. Der Muth ist ihnen vergangen. Der Muth wächset ihnen. Vuahs in thaz iru Muat, Ottfried. Keinen Muth zu einer Sache oder Person haben, aus Mangel des Vertrauens, oder der Hoffnung des guten Erfolges keine Neigung zu derselben haben. S. Muthig 1. Heldenmuth und Löwenmuth sind Arten dieses Muthes. (b) Die Rachbegierde; doch nur noch allein in der R.A. seinen Muth an jemanden kühlen, seine Rache befriedigen, seiner Rachbegierde ein Genüge thun. Schon Ottfried sagt, thaz si gekualtin in daz Muat. Bey eben demselben ist Heizmuati Rachbegierde, und Muatdati eine in der Hitze, im Zorne begangene That. In der vertraulichen Sprechart ist es in der jetzt angezeigten R.A. häufig im Diminutivo üblich. Kühle dein Müthlein nicht, Sir. 10, 6. Das Glück scheint an dir sein Müthchen kühlen zu wollen. In noch weiterer Bedeutung ist schon bey dem Ulphilas Mods der Zorn, und modags zornig. Im Schwed. bedeutet Mod gleichfalls den Zorn, im Isländ. modga und im Angels. modian zürnen, so wie im Griech. θυμος[336] so wohl das Gemüth als den Zorn bedeutet, und die Latein. animosus und animatus gleichfalls für feindselig und zornig gebraucht werden.

Anm. In allen obigen Bedeutungen im Nieders. Mood, im Angels. Mod und Mode, im Schwed. und Dän. gleichfalls Mod. Da fast alle Benennungen des Geistes und seiner Fähigkeiten und Wirkungen fast in allen Sprachen Figuren von der Bewegung sind, so ist es sehr wahrscheinlich, daß auch dieses Wort auf ähnliche Art gebildet worden, da es denn ein Seitenverwandter von meinen seyn, und mit demselben vermittelst eines andern Ableitungslautes von mähen, so fern es ursprünglich bewegen bedeutet hat, abstammen würde. Pflegt man doch merkliche Äußerungen des Begehrungsvermögens noch jetzt Gemüthsbewegungen, Latein. Motus animi, von movere, zu nennen. Im Gothischen ist Miton, und im Finnländ. Mötte, der Gedanke. S. Meinen. Dieß voraus gesetzt ist es sehr glaublich, daß die Bedeutung des Zornes und der Herzhaftigkeit die erste und eigentliche Bedeutung des Wortes Muth gewesen, weil beyde sich am deutlichsten durch äußere Bewegungen offenbaren, worauf es denn leicht war, alle übrige Wirkungen des Gemüthes, diese Fähigkeit selbst, und endlich den ganzen Geist und die ganze Seele mit diesem Worte zu benennen. S. Muthig, Anm.

Die ältern Oberdeutschen Schriftsteller gebrauchen dieses Wort sehr häufig im ungewissen Geschlechte, das Muth. Im Angelsächsischen ist es so wohl männlichen Geschlechtes ther Mod, als auch weiblichen thie Mode. Im Hochdeutschen ist es zwar für sich allein jetzt ohne Ausnahme männlichen Geschlechtes, welches auch die zusammen gesetzten Edelmuth, Gleichmuth, Hochmuth, Wankelmuth, Zweifelmuth, Unmuth, Heldenmuth, Löwenmuth, Übermuth behalten. Allein in vielen andern ist das weibliche eingeführet, wie in Großmuth, Kleinmuth, Demuth, Langmuth, Sanftmuth, Schwermuth und Wehmuth. Anmuth ist nur ein Seitenverwandter von diesem Worte, und Armuth gehöret gar nicht hierher.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 335-337.
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