[353] N, der vierzehnte Buchstab des Deutschen Alphabetes, und der dritte unter den Zungenbuchstaben; indem er mit Anlegung der Zunge an den Gaumen und die Zähne und einem gelinden dabey durch die Nase gelassenen Laute ausgesprochen wird. Wegen dieses letztern Lautes, welcher vor den Hauch- und Gaumenbuchstaben sehr merklich ist, wird er auch der Nasenlaut genannt. Als ein für die Aussprache sehr leichter und einfacher Laut, welcher nach allen und vor den meisten andern Mitlautern ohne Mühe ausgesprochen werden kann, ist er auch einer von den flüssigen Mitlauten oder so genannten Halb-Vocalen oder Halblauten, unter welchen er die dritte Stelle einnimmt.
Das n wird mit einem durch die Nase gelassenen Hauch ausgesprochen, doch in einer Sprache, in einer Mundart mehr als in der andern, selbst im Deutschen vor einigen Mitlautern mehr als vor andern. In der Hochdeutschen Mundart ist dieser Nasenlaut gewöhnlich nicht stärker, als er zur vernehmlichen Hervorbringung des n unentbehrlich ist. Nur vor den härtern Gaumenlauten g und k, wenn es mit denselben in einer und eben derselben Sylbe stehet, ist dieser Nasenlaut überaus merklich, denn da wird es dunkel, und fast so ausgesprochen, wie das Französische n nach einem Selbstlaute, in en, on, un; langen, krank, jung, Menge, singen, winken. Ich sage, in einer und eben derselben Sylbe, und verstehe das Wort Sylbe etymologisch, nicht aber orthographisch. Denn ob man gleich theilet win-ken, Län-ge, Gedan-ken, so gehören doch nach der Abstammung alle diese Gaumenlaute zur Stammsylbe, und nach der Abstammung müßte man theilen, wink-en, Läng-e, Gedank-en. Wenn hingegen in Zusammensetzungen das n vor einem Gaumenlaute zu stehen kommt, so behält es seine gewöhnliche Aussprache. Angenehm, eingehen, Unkraut, hinkriechen. Vor den weichern Gaumenlauten ch und j ist dieser Nasenlaut unmerklicher, denn da schmilzt er mit denselben am Gaumen gleichsam zusammen; manch, tünchen, so wie in den gemeinen Sprecharten auch vor dem i, Linie, Pinie, gleichsam Linje, Pinje. Zusammensetzungen machen auch hier eine Ausnahme, Unchrist, Scheinchrist, Sonnenjahr. Das n liebt diese harten Gaumenlaute g und k so sehr, daß es sich ihnen in tausend Wörtern unberufen aufdringt, oder vielmehr manche Mundarten und Sprachen können das g und k nicht aussprechen, ohne ein n vor ihnen her schleichen zu lassen. Vermuthlich war diese nieselnde Aussprache ehedem ganzen Völkerschaften eigen; sie ist es auch jetzt zum Theil noch. Allein bey der unzähligen Vermischung der Völkerschaften von den frühesten Zeiten an, sind auch die Mundarten und Sprachen vermischt worden, und daher kommt es vermuthlich, daß die Abkömmlinge eines und eben desselben Stammwortes einer und eben derselben Sprache bald ein n vor diesen Gaumenlauten haben, bald aber auch nicht. Für das frago, (brechen) tago, (Nieders. ticken) pago (fügen) u.s.f. sagten die neuern Lateiner frango, tango, pango, behielten aber doch fregi, fractum, tetigi, tactum, pepigi u.s.f. bey. So auch fingere, figura, fictus, figmentum; stringere, strictus, u.s.f. Für das Griech. und Lat. Lynx haben wir Luchs, die Dänen Los, die Schweden Lo; für danken, Schwed. danka, sagen die Isländer nur tacka; aus δικοκκος haben wir Dünkel gemacht; für μεγας, Altdeutsch michel, sagten die Römer magnus, und eben daher haben wir unser manch, Menge;[353] Bank, Bängel gehören zu Bakel, Baculus. Regere, richten, Reich und Regnum, sind eben so nahe verwandt, wie frech und frank; gehen, gegangen und Gang; fahen, fingen, Fang, Finger; blicken und blinken; dünken und däuchten; hoch, das alte hahen und hängen; Stange, Stecken und das Nieders. Stake; zwingen, zwagen und zwacken; genug und genung; bringen, gebracht, und unzählige andere mehr. Besonders gilt dieses von unsern Ableitungssylben ig und ing oder ung, welche alle drey nur eine und eben dieselbe sind. Für König sagen die gröbern Mundarten Koning und Konung, für Honig, Honing, für Pfennig, Pfenning. In der Schweiz lautet die Endsylbe -ingen vieler eigenthümlicher Nahmen -ikon, Pfeffingen, Pfeffikon. Auf eben diese Art gehet die Lateinische Endung -icus, in benignus, malignus, abiegnus u.s.f. über.
Für die Etymologie ist diese Anmerkung überaus wichtig, weil man auf sehr falsche Ableitungen gerathen würde, wenn man dieses n vor den Gaumenlauten nicht in den nöthigen Fällen absondern und zusetzen wollte. Hätten Frisch und Haltaus diese Regel vor Augen gehabt, so würden sie Hunger nicht von Hund und Gier abgeleitet, und es nicht durch hündische Begier erkläret haben. Sie würden alsdann gefunden haben, daß das ng nichts weiter ist, als das durch die Nase gesprochene g, und daß Hunger von dem alten Hug, Gemüth, Neigung, hägen u.s.f. abstamme, zumahl da es in andern Sprachen noch für Begierde gebraucht wird.
So sehr das n die beyden harten Gaumenlaute liebt, so sehr liebt es auch die Zungenbuchstaben d und t. Wir haben unzählige Wörter, in welchen entweder das n, oder das d und t nicht zum Stamme gehöret, sondern bloß durch eine weichere Aussprache eingeschoben worden; eine Anmerkung, welche der Etymologe eben so sehr vor Augen haben muß, als die vorige. In nackend für nacket, Barchent für Barchet, Tugend für das alte Taugde, Jugend für das Nieders. Jögd, und andern hat sich das n eingedrungen, so wie sich in lebendig, morgend, wesentlich, ordentlich und andern ein d oder t angehänget hat. Schaden und Schande, Schindel und scheiden, Spindel, spinnen, und das alte spahen, wandeln und vadere, Gewand und das alte und noch Nieders. Watt, und tausend andere gehören zu einerley Stamme, so wie im Lat. laetus und blandus, scindo, scidi, und scheiden, findere und fidi u.s.f. Für Mantel, Schwed. Mantel, sagen die Isländer nur Mattul, für Hand, Handa, Art, Geschlecht, nur Hatt, für Land nur Lad u.s.f. Dieß findet auch von dem mit dem t so nahe verwandten s Statt. Glas, Glanz, glänzen, ehedem nur glesten, sind Eines Geschlechtes, so wie Insel und das Ital. Isola, Franz. Isle, Kranz und Kreis, Linse und das in den gemeinen Sprecharten übliche Lieschen, Gans, Griech. χƞν, und das Niedersächsische Goos, anderer zu geschweigen.
So leicht nun die Aussprache des n vor den jetzt gedachten Mitlautern ist, so schwer ist sie vor den Lippenbuchstaben, selbst in zwey ganz verschiedenen Stellen. Die Lateiner und Griechen verwandelten es daher gern in den Lippenlaut m, wenn es vor einem andern Lippenlaute stehen sollte, besonders in den Vorwörtern con, in, εν und συν; comburere, committere, impar, imprimis u.s.f. Die Deutschen haben den Übelklang gleichfalls empfunden, und das n in vielen solchen Fällen in ein m verwandelt; empor, empfahen, empfangen, empfehlen, empfinden, Amboß,[354] (Incus,) Imbiß, immaßen, immittelst, impfen, Glimpf von linde, Strumpf, Rumpf, Wimpel, Naumburg für Neuenburg, Schimpf, rümpfen, Sumpf u.a.m. wo das m die Stelle des n in dem Stammworte vertritt. Indessen sind doch noch Wörter genug übrig, wo das n dem Wohlklange zum Trotze geblieben ist; dergleichen sind zum Beyspiele, Vernunft, Kunft, in welchen beyden es sogar aus dem m der Stammwörter vernehmen und kommen entstanden ist, Ranft von Rand oder Rahm, Hanf, wofür die Schweden Hempe, die Engländer und Niedersachsen aber Hemp sagen, Senf, Zunft, sanft, fünfe, u.s.f. Daß das n in diesen Wörtern hart klinget, merken sogar die gemeinen Mundarten, welche daher gemeiniglich fümfe, Semf, samft, Vernumft u.s.f. sprechen, selbst in solchen Fällen, wo zwischen beyden noch ein Gaumenlaut stehet. So spricht der große Haufe für Ingber nur Imber, für Jungfer Jumfer.
Aber es gibt auch noch andere Fälle, wo das n mit dem m abwechselt, ob sie gleich zu verschiedenen Sprachwerkzeugen gehören. Für Mispel sagt man in vielen Gegenden nur Nispel, Nespel, im mittlern Lat. Nespila, wo auch Nertus für Myrtus gefunden wird; für das Hochdeutsche Mucke sagen die Niederdeutschen Nücke, u.s.f.
Weit mehrere Wörter, selbst im Deutschen, sind vorhanden, wo das Anfangs N nicht zum Stamme gehöret, sondern entweder ein bloßer müßiger Vorschlag ist, der sich wegen der leichten Aussprache dieses Lautes unvermerkt aufgedrungen hat, oder auch, wie andre wollen, ein Überbleibsel des alten Artikels an, ein, ist, siehe Ein. So sagt man in verschiedenen Provinzen in einerley Bedeutung Nößel und Ößel, Natter und Atter, Narb, eine Krampe, und Arb, Nura, im Oberdeutschen für Hefen, und Ura, Nast und Ast, Nassel und Assel, Nasch, ein Gefäß, und Asch. Ja es scheinet, daß auch unser nutzen und uti, nehmen und emere, auf diese Art verwandt sind, so wie ονομα und Nomen unläugbar zu einander gehören.
Viele alte Sprachen verstärkten das n noch durch einen freundschaftlichen Hauch- und Gaumenlaut. Für Nacken sagten die Angelsachsen Hnecca, für Napf Hnaeppe, für neigen hnigan. Unserer Sprache fehlet es daran gleichfalls nicht. Genick, Knicks, Knie und Knöchel stammen mit Nacken von neigen her; genau von dem alten nau; knapp, knappen, kneipen, von dem noch in den gemeinen Mundarten üblichen noppen, Schwed. nappa; Knoten von Nodus; Knast von Nast und Ast u.s.f. In andern Wörtern nimmt es dafür den Zischlaut an, wie in Schnabel, von Nabe, Nabel, Engl. Nave, Schnur, von Nurus, Schnee, von dem noch bey den Jägern üblichen Neu, Nix, Schnaue, von Nache, Navis, Schnecke, Franz. Nacre, vermuthlich auch daher, u.s.f.
In der Beugung und Ableitung der Wörter hat dieser Buchstab einen vielfachen Nutzen, welchen ich hier, um nicht weitläuftig zu werden, übergehen muß. Er ist hier gewiß kein leerer, oder aus bloßer Willkühr gewählter unbedeutender Schall, ob wir gleich in der großen Entfernung, worin wir uns von den ersten Erfindern der Sprache befinden, seine eigentliche Bedeutung nicht mehr genau bestimmen können. Etwas davon ist bey dem Artikel -Ern und -En bemerket worden.
Es ist jetzt so wohl im Deutschen als Lateinischen sehr gewöhnlich, daß man an die Stelle eines eigenthümlichen Nahmens, wenn man denselben entweder nicht weiß, oder ihn mit Fleiß nicht nennen will, ein N. N. setzet. Nach dem Du Fresne ist dieses Zeichen ungefähr im eilften Jahrhundert üblich geworden, und zwar aus dem abgekürzten Ille oder Illa, welches man Ill mit einem Querstriche durch die beyden ll zu schreiben pflegte, welche Abkürzung man nachmahls aus Unwissenheit für N. N. gehalten. Jenes,[355] nehmlich das Ill kommt in Marculphs Formeln und andern Schriften vor dem eilften Jahrhunderte häufig vor.
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