Quelle, die

[889] Die Quêlle, plur. die -n, Dimin. das Quellchen. 1. Eigentlich, das aus der Erde sichtbar hervor springende Wasser, und der Ort, wo Wasser aus der Erde hervor springt. Nach einer Quelle graben. Eine Quelle finden. Eine lebendige Quelle, wo das Wasser auf eine sehr merkliche Art aus der Erde hervor springet. Ach, es stehet nicht bey mir, die Quelle des Stromes zu verstopfen, der sich über mich ergossen hat. 2. Figürlich. 1) Das aus der Quelle herfließende Wasser, der aus einer Quelle entspringende Bach, doch nur nahe um seine Quelle betrachtet; wo es viele im männlichen Geschlechte gebrauchen.


Wo der murmelnde Quell durchs Gras und Blumen sich windet,

Zach.


d.i. der Bach.

‒ Er schöpft den sichern Quell und trinket zufrieden,

Zach.


d.i. das Quellwasser.

‒ Sie schminkt der spiegelnde Quell,

Zach.


der Bach.

[889] 2) In der höhern Schreibart werden die Augen oft die Quellen der Thränen genannt. Jerem. 9, 1. 3) Alles, was den Grund des Daseyns oder der Erkenntniß eines andern Dinges enthält, Principium existendi et cognoscendi. Gott ist die Quelle des Guten, die Quelle alles Lebens, aller Weisheit, die Quelle des Heils. Indien ist die Quelle alles Reichthums von den ältesten Zeiten her. Aller Geschmack und alles Vergnügen können sehr wohl aus einer gemeinschaftlichen und sehr einfachen Quelle herfließen, Sulz. Alle glaubwürdige Nachrichten merkwürdiger Begebenheiten sind Quellen der Geschichte. Aus trüben Quellen schöpfen, sich verdächtiger Nachrichten bedienen.

Anm. 1. In einigen Niederdeutschen Gegenden nur Welle, im Angels. Weal, Wael, im Engl. Well, im Dän. Quäl und Kielde, im Schwed. Källa, in einigen gemeinen Deutschen Mundarten Kiel, in welcher Gestalt es noch bey dem Matthesius vorkommt, S. das folgende. Kero gebraucht dafür K cprunno, Queck- oder Quickbrunn, Notker Chehprunno, und im Nieders. ist noch Quickborn in eben dieser Bedeutung üblich, S. Quick. Sonst kommen bey dem Notker noch die Ausdrücke Cruntlacha und Urspringa für Quelle vor, so wie man im gemeinen Leben noch Spring und Born in diesem Verstande gebraucht. Opitz nennt eine Quelle Springader. In einigen alten Bibel-Übersetzungen aus dem 15ten Jahrhunderte findet sich auch Goltscheym und Goldschim der Bäch, für Quelle, welches zu Gölle, in den gemeinen Sprecharten Göltsche, und mit demselben gleichfalls zu Quelle gehöret.

Anm. 2. Viele, selbst Hochdeutsche Schriftsteller, besonders Niedersächsischer Herkunft, gebrauchen dieses Wort im männlichen Geschlechte, der Quell, in welchem es unter andern auch bey den Dichtern vorkommt. Einige haben daraus den Unterschied hergeleitet, daß dieses Wort in der ersten eigentlichen Bedeutung weiblichen, in der figürlichen des Quellwassers oder Baches aber männlichen Geschlechtes sey. Allein, daß dergleichen Unterschiede eines und eben desselben Wortes sehr unschicklich und willkührlich sind, ist schon bey mehrern Gelegeheiten gezeiget worden. Diejenigen Mundarten, welche der Quell sagen, gebrauchen es ohne allen Unterschied als ein männliches Wort.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 889-890.
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