[512] Quelle (hierzu Tafel »Quellen I u. II«), eine Ausströmung vom flüssigem oder gasförmigem Material aus der Erde. Dasselbe ist in weitaus den meisten Fällen Wasser, das bald mehr, bald weniger andre Stoffe gelöst enthält, kann aber auch Gas (Kohlensäure, Schwefelwasserstoff, Kohlenwasserstoff) oder Naphtha (mit oder ohne Wasser, Schlammvulkane, s. d.) sein. Zu den Gasquellen gehören die Mofetten, Fumarolen (s. d.), Solfataren (s. d.) sowie die Borsäure enthaltenden Dampfausströmungen, die sogen. Soffioni Toskanas (Tafel II, Fig. 3). Das Quellwasser ist hauptsächlich atmosphärischen Ursprungs (vgl. Mineralwässer, S. 869) und rührt von demjenigen Teil (etwa einem Drittel) der Niederschläge her, der weder sofort wieder verdunstet, noch oberflächlich abfließt, sondern in das Erdreich gelegentlich bis zu sehr bedeutender Tiefe einsinkt. Das Zustandekommen der Quellbildung beruht auf der abwechselnden Verteilung von wasserdurchlassendem und wassersperrendem Gesteinsmaterial in der Erdkruste. Das erstere (Sande, Sandsteine, Gerölle, [512] Konglomerate und zerklüftete, von Sprüngen und Brüchen, sogen. Lithoklasen, durchzogene Gesteine der verschiedensten Art) setzt dem Versinken des Wassers keinen Widerstand entgegen bis zu dem Punkte, wo es selbst von einer undurchlässigen, wassersperrenden Schicht (Ton, Lehm, Mergel) abgelöst wird.
Liegt die undurchlässige Schicht (B) unter dem wasserdurchlassenden Material (A) horizontal, so wird sich das Wasser auf ihr in der untersten Region der durchlassenden Masse sammeln (wasserführende Schicht, Wasserhorizont, Grundwasser) und kann nur zum Austritt kommen, wenn die Kontur des Terrains diese unterste Partie durchschneidet, sie also etwa den Sockel eines als Sammelterritorium dienenden Gebirgsstockes bildet. Rundherum werden sich an den Stellen, wo diese obere Grenze der wassersperrenden Schicht zutage geht, Quellen (Q) bilden können (Fig. 1). Ist das ganze Schichtsystem einseitig geneigt, so wird das Wasser der tiefsten Stelle zustreben: es entsteht eine sog. Schichtquelle (Fig. 2). Bildet die wasserdichte Unterlage etwa eine napfförmige Mulde, so werden die Wasser sich ansammeln, um über dem niedrigsten unter denjenigen Punkten des Randes überzufließen, der in der Gegend entblößt ist (Überfallquelle, Fig. 3).
Schneidet bei gleicher Lagerung ein Tal bis zu den wasserführenden Gesteinsschichten, also unter dem Rande der undurchlässigen Schicht, ein, so werden sich Quellen in diesem Tal bilden (Spaltquelle, Fig. 4). Ähnlich entstehen die Verwerfungsquellen (Fig. 5); hier staut sich das auf der wassersperrenden Schicht (rechts) abfließende Wasser an dem (links) längs einer Verwerfung vorgelagerten undurchlässigen Gesteinssystem, bis es aus der Verwerfungsspalte bei Q. zum Ausfluß kommt. Das komplizierteste Verhältnis spielt sich ab, wenn in einem Schichtensystem undurchlässige Schichten wasserführende einschließen und wenn dieses System in der Tiefe liegt und stark gebogen ist. Alsdann wird nach dem Gesetz der kommunizierenden Röhren das Wasser vom Sammelterritorium in dem einen Schenkel nach abwärts fließen und in dem andern bis zur gleichen Höhe ansteigen, resp., wenn die Schichtenfolge an einem tiefer als das Sammelterritorium gelegenen Punkt zutage ausstreicht, als Q. ausfließen (aufsteigende Q., artesische Q.). Als solche Quellen hat man auch die hier und da im Meere nahe der Küste hervortretenden Süßwasserquellen anzusehen. Zapft man derartig gebogene wasserführende Schichten, die keinen natürlichen Abfluß haben und das Wasser in der Tiefe unter hohem Druck enthalten, durch Bohrlöcher an, so entstehen artesische Brunnen (s. Brunnen, S. 502). Auch die sogen. Gipfelquellen, d. h. Quellen, die auf dem Gipfel hoher Berge austreten, sind artesische Quellen; sie können nur dann entstehen, wenn das Schichtsystem mit seinem kürzern aufsteigenden Schenkel auf einer Höhe zutage ausstreicht, während das noch höher gelegene Sammelterritorium von dieser Höhe durch eine das System nicht verritzende Niederung getrennt ist. Bei heißen Quellen oder Thermen (s. d.), die aus großen Tiefen aufsteigen, wo das Wasser die daselbst herrschende hohe Temperatur angenommen hat, kann unter Umständen der aufsteigende Schenkel länger sein als der absteigende, weil in dem aufsteigenden Schenkel das Wasser erwärmt, also spezifisch leichter ist als das kalte in dem absteigenden Schenkel, so daß eine kürzere Wassersäule in letzterm eine längere im aufsteigenden Schenkel im Gleichgewicht halten kann (s. Geifer, S. 494).
Die meisten der größern Quellen sind permanente, d. h. die Schwankungen in der Wassermenge sinken nicht bis zum absoluten Ausbleiben herab oder doch nur ausnahmsweise in besonders trocknen Jahren. Die Entstehung der periodischen, d. h. mit Unterbrechungen fließenden Quellen (März-, Maibrunnen, Hungerquellen, s. d.) ist nicht immer klar; vielfach versucht man sie mit dem Ausfließen von Wasser aus Höhlen durch einen heberartigen Ausflußkanal zu erklären. Intermittierende Quellen sind solche, bei denen auf gewöhnlich stunden-, bisweilen auch tagelage Ruhepausen heftige, explosionsartige Wasserausbrüche folgen; hierher zählen namentlich die Geiser (s. d.). Häufig sind Gase im komprimierten Zustande die Ursache aufsteigender Quellen; z. B. bei den kohlensäurehaltigen Quellen, den sogen. Säuerlingen, ist meistens die Kohlensäure das treibende Gas.
Die Wassermengen, welche die Quellen an die Erdoberfläche liefern, sind außerordentlich verschieden und namentlich abhängig von der Größe der Sammelterritorien und der auf das Quellgebiet fallenden Regenmenge. Daher der Gegensatz zwischen der Wasserarmut auf der Höhe. z. B. in der Schwäbischen Alb und dem schweizerisch-französischen Jura, und dem Wasserreichtum in den Tälern. So liefert der Blautopf bei Blaubeuren 2803000 hl, die Q. des Schwarzen Kochers 423 hl, die durch Petrarca so berühmt gewordene Vaucluse, die Q. der Sorgue, 444013,360 hl in der Minute. Die letztgenannte Q. entspringt aus einem großen, fast kreisrunden Becken, das in einer tiefen Grotte endet (Tafel I, Figur 2). Ihr Wasserstand ist je nach der Jahreszeit ein[513] verschiedener; im Frühjahr, zur Zeit der Schneeschmelze, ist derselbe so hoch, daß die Grotte bis an das Gewölbe ausgefüllt ist, im Oktober enthält das Becken einen kleinen See mit ganz ruhiger Oberfläche. Der Abfluß erfolgt durch zahlreiche Schluchten im Kalkfelsen, aus dem sich in kurzer Entfernung davon 20 rauschende Bäche bilden (Tafel I, Fig. 1).
Die Temperaturen der Quellen schwanken zwischen 0 und 100°, doch ist der Wärmegrad der einzelnen Quellen, sofern sie nicht ganz an der Oberfläche verlaufen, gewöhnlich konstant. Die mittlere Temperatur liegt meist ein wenig über der mittlern Temperatur des Ortes, auf die man am richtigsten alle Temperaturmessungen an Quellen bezieht. Übersteigt die Temperatur der Q. die mittlere Ortstemperatur, so nennt man sie Thermalquelle oder Therme (s. Mineralwässer); kommt die Temperatur dem Kochpunkt (Siedepunkt) nahe, so nennt man sie heiße Q., Kochbrunnen. Man bringt diese hohe Temperatur mit der Temperaturzunahme in den Erdtiefen in Zusammenhang und erblickt in den Thermen aus großer Tiefe aufsteigende Quellen.
Die geologische Wichtigkeit der Quellen beruht besonders in dem Transport mineralischer Stoffe aus den Erdtiefen. Die oberflächlich verlaufenden Quellen (Rasen-, Bodenquellen), die sich nach Regengüssen vorübergehend trüben, transportieren wohl, wie die Flüsse, mechanisch fortgerissenen Schlamm; aber die aus der Tiefe aufsteigenden Wasser enthalten nur gelöste Stoffe. Ihre Menge ist sehr variabel und von der Natur der Gesteine abhängig, die das Wasser bei seinem unterirdischen Lauf überrieselt. Schon Plinius sagt: »Tales sunt aquae, quales terrae, per quas fluunt«. Nächst den Chlorverbindungen (Steinsalz etc.) und Karbonaten (von Kalk, Eisen etc.) sind unter den im Quellwasser gelösten Mineralsubstanzen die schwefelsauren Salze (Gips und schwefelsaures Natron) die häufigsten; auch kieselsaure Alkalien, Silikate von Kalk, Magnesia etc., sowie salpetersaure Salze und organische Substanzen kommen in vielen Quellwässern vor. Diejenigen Wässer, die besonders reich an gelösten Stoffen sind oder mehr davon enthalten als das gewöhnliche Trinkwasser (wie die Solquellen, Säuerlinge oder Sauerquellen), heißen Mineralwässer (s. d.). Am wenigsten Stoffe enthalten die dem Buntsandstein und Granit entspringenden Quellen, auch manche heiße Quellen (Plombières, Gastein, Pfäfers) sind arm an gelösten Substanzen. Die folgende kleine Tabelle gibt ein Bild von den Schwankungen, die sich in der Gesamtmenge der gelösten Stoffe abspielen. Auf 10,000 Teile Wasser kommen an gelösten Stoffen:
Berücksichtigt man zugleich die großen Wassermengen, die diesen Quellen entströmen, so erkennt man, welch große Massen an festen Stoffen dem Erdinnern durch die Quellen nach und nach entzogen werden. So liefert beispielsweise die Hauptquelle von Karlsbad, der Sprudel, jährlich an 12 Mill. hl Wasser mit etwa 61/2 Mill. kg festen Bestandteilen. Davon sind 2,4 Mill. kg schwefelsaures Natron (entsprechend 6 Mill. kg Glaubersalz), 1 Mill. kg Chlornatrium und 1,4 Mill. kg kohlensaures Natron. Ja selbst an Fluor gelangen, obgleich erst in 300,000 Teilen Wasser ein Teil dieses Elements enthalten ist, jährlich 4200 kg in Form von Fluorcalcium (CaF2) an die Erdoberfläche. Andern sich bei Austritt des Quellwassers die für die Löslichkeit der mitgeführten Stoffe in der Tiefe der Quellkanäle herrschenden günstigen Verhältnisse, so entstehen Quellabsätze. So schlägt sich durch Entweichen der Kohlensäure das nur in kohlensäurehaltigem Wasser leicht lösliche Calciumkarbonat als Kalksinter oder Aragonit (Sprudelstein, s. d.) ab, aus Eisensäuerlingen scheidet sich braunes Eisenhydroxyd aus, aus Schwefelquellen mehliger Schwefel; aus heißen, an Kieselsäure reichen Quellen entstehen durch Verdunstung des Wassers Ablagerungen von Kieselsinter (s. d.). Beispiele bilden die Inkrustationen der heißen Quellen (95°) von Hamam Meskutin in Algerien (Tafel II, Fig. 4) und die Sinterterrassen des Mammutgeisers im Yellowstone-Park (s. Tafel zum Art. »Geifer«).
Der Nachweis und die Erschließung unterirdischer Wasserhorizonte setzt die genaueste Kenntnis der den Untergrund bildenden Formationen und ihrer Lagerung voraus. Die von einzelnen Individuen (Quellfindern, Wasserschmeckern) als Spezialität ausgebildete Aufsuchung unterirdischer Wasserhorizonte wird deshalb nur dann die Beachtung des Gebildeten verdienen, wenn sie auf wissenschaftlichen Grundsätzen, gepaart mit einem durch zahlreiche Erfahrungen geschärften Blick, beruht. Als Typus eines solchen Praktikers sei der Abbé Paramelle genannt, dessen »Quellenkunde« von Cotta ins Deutsche übersetzt wurde (2. Aufl., Leipz. 1865). In neuester Zeit haben einzelne Persönlichkeiten die mittelalterliche Wünschelrute (s. d.) wieder zu Ansehen zu bringen gesucht. Am besten wird der nach Wasser suchenden Bevölkerung durch streng wissenschaftliche Zusammenstellungen gedient, die sich die präzise Darstellung der unterirdischen Wasserverhältnisse für kleinere Landesabschnitte zur Aufgabe machen. Ein Muster in dieser Beziehung ist Regelmanns Werk »Die Quellwasser Württembergs« (Stuttg. 1874). Vgl. auch Heim, Die Quellen (Basel 1885); Haas, Quellenkunde (Leipz. 1895); Daubrée, Les eaux souterraines (Par. 1888, 3 Bde.); Gärtner, Die Q. in ihren Beziehungen zum Grundwasser (Jena 1902); Pochet, Études sur les sources (Par. 1905).
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