Saugen

[1299] Saugen, verb. irreg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt; ich sauge, du saugst, er saugt; Imperf. ich sog, Conjuct. ich söge; Mittelw. gesogen; Imperat. sauge. Den Saft, die Flüssigkeit mit dem Munde langsam und nach und nach in sich ziehen; wo es so wohl als ein Neutrum, als auch active mit der vierten Endung der Flüssigkeit gebraucht wird. Den Honig aus dem Felsen saugen, 5 Mos. 32, 13. Den Saft aus einem Apfel saugen. Die Bienen saugen Honig aus den Blumen. Am Hungertuche saugen; wofür doch am Hungertuche nagen üblicher ist. Der Bär saugt im Winter an seinen Bratzen. Daher die figürliche, im gemeinen Leben übliche R.A. etwas aus den Fingern saugen, es von sich selbst her haben, und im engern Verstande, es erdichten. In engerer Bedeutung, von jungen Kindern und Thieren, die Muttermilch aus der Mutter Brust in sich saugen. Das Kind will saugen, hat schon gesogen. An der Brust saugen. Die Brust saugen, die darin befindliche Milch. Selig sind die Brüste, die du gesogen hast! Luc. 11, 27. Ein saugendes Kind, wofür man im gemeinen Leben unrichtig mit dem folgenden Factitivo sagt, ein säugendes Kind. Ein saugendes Lamm, ein saugendes Kalb u.s.f. im gemeinen Leben ein Soglamm, ein Sogkalb, für Saugelamm, Saugekalb, von dem Nieders.[1299] Sog, das Saugen. In weiterer Bedeutung auch von leblosen Dingen, wenn sie einen flüssigen Körper vermittelst enger Röhren langsam in sich ziehen. Der Schwamm saugt das Wasser in sich. Die Röhre hat sich vollgesogen. S. Saugeröhre. So auch das Saugen, wofür im Nieders. der Sog üblich ist.

Anm. Schon im Isidor saughan, im Tatian, Notker u.s.f. sugan, im Nieders. sugen, im Angelsächs. sucan, im Engl. to suck, im Wallisischen mit der intensiven Endung -nen, sugno, im Schwed. suga, im Isländ. siuga, im Irländ. sugham, im Lat. sugere, im Franz. sucer, im Pohln. ssack, im Böhm. cucati. Es ahmet den mit dieser Handlung verbundenen Laut nach, und da dieser Laut mehrern Veränderungen gemein ist, so gehören auch ziehen, Zug, seigen, seihen, Succus u.s.f. hierher. Im gemeinen Leben hat man von saugen die Intensiva sugeln, sutzeln, zutscheln, womit das niedrigere nutscheln gleichbedeutend ist. Da das g in diesem Zeitworte seinen gelinden Laut nicht verlieren darf, so ist es im Hochdeutschen nothwendig, demselben auch in den Zusammensetzungen das e euphonicum nachtreten zu lassen; Saugelamm, Saugefisch u.s.f. für die härtern Sauglamm, Saugfisch.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1299-1300.
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