Scherge, der

[1425] Der Scherge, des -n, plur. die -n, ein jeder obrigkeitlicher Bedienter, welcher die ihm Untergebenen zu ihrer Pflicht anhält; in welchem Verstande es ehedem von Amtleuten, Vögten, und andern Finanz-Bedienten, selbst über ganze Provinzen, gebraucht wurde, welche die landesfürstlichen Einkünfte von den Einwohnern eintrieben. Philopator wird in königlichen Ehren sitzen, wie ein Scherge, Dan. 11, 20. Frisch führet mehrere Beyspiele von dieser jetzt veralteten Bedeutung an, indem das Wort gegenwärtig nur noch von den niedrigsten Bedienten der Polizey und der Gerechtigkeit, d.i. von den Gerichtsknechten, Stadtknechten, Häschern, ja auch wohl von den Henkersknechten gebraucht wird, im Hochdeutschen aber mehr in Schriften, als in der Sprache des täglichen Umgangs üblich ist. In diesem Verstande kommt es schon im Schwabenspiegel Kap. 149 vor.


So haben ihn des Satans Schergen

Mit schweren Fesseln eingeschränkt,

Gryph.


Anm. Vermuthlich gehören auch das Engl. Sherif, das Franz. Sergent, und das mittlere Lat. Circa, die Ronde, Nachtwache und ein Wächter dahin, obgleich das letztere gemeiniglich von dem Lat. circa und circumire. (S. Schar und Scharwache,) das mittlere aber von serviens hergeleitet wird. Unser Scherge stammet von dem noch in den gemeinen Sprecharten Obersachsens, Schlesiens, und anderer Provinzen sehr bekannten schergen, scherchen, schirgen u.s.f. her, welches das Intensivum von scheren ist, und so wohl im Neutro heftige Bewegungen machen, als auch active, heftig bewegen bedeutet, S. 1 Schar und Scheren. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur wird es hernach von verschiedenen Handlungen gebraucht, welche mit einer heftigen Bewegung verbunden sind. Bey einigen alten Oberdeutschen Schriftstellern ist scurgan schieben, stoßen.


Sy sahin ynen intgegen schurgin

Die Lut von denen dreyen Burgin,

Jeroschin,


bey dem Frisch. Den Tisch an die Wand schergen, schieben. Figürlich ist schergen, scherchen, schirgen, anschergen, noch in den gemeinen Sprecharten Meißens antreiben, durch Aufmunterung und Zuspruch befördern. Da war ich ein Ochse, daß ich nicht genug schob und schergete, Weiße. Anschergen, antreiben, in Schlesien anschirgen, wo auch schirgen, schürgen, sich fördern, eilen ist. Von dieser Bedeutung des Antreibens und Eintreibens stammet das Hauptwort Scherge in beyden Bedeutungen her. Dem Lat. urgere fehlet nur der Zischlaut.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1425.
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