Scheu

[1429] Scheu, -er, -este, adj. et adv. einen Gegenstand aus dunkeln und verworrenen Begriffen fliehend, bemüht, sich von einem Gegenstande aus einer verworrenen Vorstellung eines Übels zu entfernen. In diesem ersten und eigentlichen Verstande wird ein Pferd scheu, wenn es vor einem ungewohnten Gegenstande erschrickt und die Flucht ergreift, da es denn in engerer Bedeutung die Fertigkeit oder Gewohnheit bezeichnet, vor jedem ungewöhnlichen Gegenstande zu fliehen. Ein scheues Pferd. Ein Pferd scheu machen. So auch in den Zusammensetzungen menschenscheu, leutescheu, lichtscheu, wasserscheu, feuerscheu u.s.f. Neigung und Fertigkeit habend, die Menschen u.s.f. aus einer auf verworrene Vorstellungen gegründeten Furcht zu fliehen.


Ein Eber fragt den Hirsch, was macht dich hundescheu?

Haged.


Kopfscheu ist eigentlich ein Thier, wenn es sich nicht an den Kopf angreifen läßt, sich scheuet, d.i. sich mit dem Kopfe zu entfernen sucht, so bald man es daran angreifen will. In engerer Bedeutung ist jemand scheu, wenn er aus übler Erziehung, verworrener Vorstellung, die Gemeinschaft anderer, ihren Unterricht u.s.f. zu fliehen sucht. Ihr Väter erbittert eure Kinder nicht, auf daß sie nicht scheu werden, Col. 3, 21. Zuweilen wird es auch in weiterer Bedeutung für schüchtern und furchtsam überhaupt gebraucht.


‒ Er schleicht mit scheuem Blicke

Und mehr als diebscher Furcht zurücke,

Haged.


Laß in dein Heiligthum die scheue Muse sehen,

Zach.


Anm. Im Niedersächs. schou, im Engl. shy, im Schwed. skygg, im Ital. mit einem andern Endlaute schifo, schivo, schivoso. Ohne Zischlaut ist im Engl. coy spröde. Die schnelle Flucht ist in diesem und den folgenden Worte der herrschende Begriff. S. Scheuen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1429.
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