Sehne, die

[26] Die Sêhne, plur. die -n, ein Wort, welches ehedem ein jedes Band, eine jede Schnur zum Spannen oder Ausdehnen bedeutet zu haben scheinet. Noch jetzt nennen die Jäger die Leinen oder starken Stricke an den Jagdzeugen, Sehnen, oder nach Oberdeutscher Mundart, Sennen. Wir gebrauchen es im Hochdeutschen nur noch in der eben gedachten Bedeutung für Sehnader, wo man im gemeinen Leben alle rundliche Bänder in den thierischen Körpern, Sehnen nennet, sie mögen nun bloß zur Verbindung der Glieder, und besonders der Knochen, oder auch zur Spannung, Biegung und Ausdehnung der Glieder dienen. In der Anatomie macht man hingegen unter beyden einen Unterschied, und nennt die erstern Sehnen, Sehnadern oder Bandadern, Vincula, und die letztern Spannadern, Nerven. Daher die Sehne an einem Bogen, weil sie ursprünglich aus den starken Sehnen großer Thiere verfertiget wurde. Nach einer von diesen Bogensehnen entlehnten Figur ist in der Geometrie die Sehne, Chorda, eine jede Linie, welche außer dem Mittelpunkte von einem Punkte der Peripherie[26] eines Zirkels zu dem andern gezogen wird. Gehet diese Linie durch den Mittelpunkt, so heißt sie der Durchmesser, Diameter.

Anm. Bey dem Notker von einer Sehne am Bogen Senuu, Seneuua, bey dem Horneck Senib, mit der gewöhnlichen Vertauschung des s und t, im Schwed. Tan, im Wallis. Tant, im Griech. τενιον; ohne Zweifel aus Einer Quelle mit dehnen, entweder so fern die Sehne zur Ausdehnung und Spannung dienet, oder auch in weiterer Bedeutung, so fern sie selbst ein in die Länge ausgedehntes Ding ist, daher auch die Schuhriemen bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern Than, und ein Reis im Angels. Tan heißt. S. auch Zain, welches gleichfalls damit verwandt ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 26-27.
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