Sperren

[186] Spêrren, verb. regul. act. welches in einer dreyfachen Hauptbedeutung üblich ist.

1. Mit Heftigkeit aus einander thun, weit und mit Heftigkeit öffnen. Die Füße von einander sperren. Das Maul sperren, weit öffnen, im Oberdeutschen, wofür man im Hochdeutschen aufsperren sagt, welches überhaupt in dieser Bedeutung am üblichsten ist. Die Thüre aufsperren. Ingleichen in einigen figürlichen Bedeutungen. Die Zeilen sperren, sie von einander entfernen. Allzu sehr gesperrte Zeilen, welche zu weit von einander stehen.

2. Mit der herrschenden Bedeutung eines Riegels, eines steifen Werkzeuges und in weiterm Verstande, eines jeden Hindernisses, ist sperren (1) Eigentlich, mit einem Riegel oder ähnlichen Dinge verschließen. Die Thüre zusperren, besonders im Oberdeutschen, sie zuriegeln, zuschließen, sie aufsperren, sie aufriegeln, aufschließen. Die Thor sperren, verschließen. S. Sperrgeld. Im Hochdeutschen gebraucht man es am häufigsten in weiterm und figürlichstem Verstande, den freyen Zugang oder Durchgang zu oder durch einen Ort hemmen oder hindern. Die Stadt sperren, den Zu- oder Ausgang hindern. Einen Fluß sperren, die Überfahrt über denselben, ingleichen die Schifffahrt auf demselben durch ein Hinderniß hemmen. Die Gassen mit Ketten sperren. Einen Hafen sperren. Die Dardanellen sperren die Fahrt in das schwarze Meer. So auch einsperren, aussperren, versperren. (2) Die freye Bewegung eines Dinges durch ein Hinderniß hemmen. Ein Rad sperren. So auch im figürlichen Verstande. Den Handel sperren. Ein gesperrtes Handwerk, welches nur auf Einen Ort allein eingeschränket ist. Im Oberdeutschen bedeutet es auch mit Arrest belegen. Die Erbschaft sperren.

3. Sich sperren, sich heftig widersetzen, wohl zunächst mit Anstämmung der Hände und Füße, dann aber auch für sich widersetzen überhaupt. Sperre dich wider ihre Bande nicht, Sir. 6, 26[186] Daß sich ein einiges Volk wider alle Welt sperrete, Stück. Esth. 1, 4. Ingleichen im gemeinen Leben, für sich weigern. Sperren sie sich nicht so. Sich sperren etwas zu thun. So auch das Sperren und die Sperrung.

Anm. In der ersten Bedeutung im Nieders. speren, von welchem das Hochdeutsche das Intensivum ist, im Schwed. sparra. Es scheinet, daß hier die Öffnung der herrschende Begriff ist, da es denn zu bar und baren in offenbaren, zu bersten, bohren, ingleichen zu dem Lat. varus und varicare gehören würde, wenn es anders nicht eigentlich vermittelst eines eingeklemmten Barrens weit öffnen und so geöffnet erhalten, bedeutet. Siehe auch Spreitzen und Sparre. In der zweyten Bedeutung, in welcher schon Ottfried sperran für verschließen gebraucht, gehöret es allem Ansehen nach zu Barre oder Barren, ein Riegel, Balken, daher auch im Französ. barrer, im Ital. barrare, sbarrare, verschließen, versperren, bedeuten, so wie das Angels. sparran, das Engl. to spar, das Schwed. spärra. S. Barre und Spiere. Indessen scheinen auch sparen und wehren auf die Verwandtschaft Anspruch zu machen, von welchem letztern sich sperren, ein Intensivum zu seyn scheinet. Im Nieders. ist sparteln sich mit Händen und Füßen heftig bewegen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 186-187.
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