Spinnen

[210] Spinnen, verb. irregul. Imperf. ich spann, (im gemeinen Leben ich sponn), Conj. ich spänne, (im gemeinen Leben ich spönne); Mittelw. gesponnen; Imper. spinne. Es wird sowohl absolute[210] und in Gestalt eines Neutrius mit dem Hülfsworte haben, als auch active mit der vierten Endung gebraucht, und bedeutet, 1. Aus einem weichen und faserigen Körper einige Fasen ausziehen und selbige zu Fäden zusammen drehen. An der Spindel, an einem Rade spinnen. Sich mit spinnen nähren. Grob, klar, fein spinnen. Ist es ein Activum, so können sowohl die gesponnenen Fäden, als auch die Materie, woraus sie gesponnen worden, in der vierten Endung stehen. Einen klaren, einen groben Faden spinnen. Garn spinnen, Wolle, Flachs, Werrig, Seide spinnen, nehmlich zu Garn oder Fäden. Der Seidenwurm spinnt sich selbst sein Grab. Keine Seide bey einer Sache spinnen, figürlich, keinen Nutzen, keinen Vortheil davon haben, Sprichw. Es ist nichts so klein gesponnen, es kömmt endlich an der Sonnen, (an die Sonne); oder wie es Canitz ausdruckt:


Es wird nichts so klein gesponnen,

Das der Sonnen

Endlich unverborgen bleibt.


In anspinnen und entspinnen hat es auch die figürliche Bedeutung des Anfangens und Entstehens. 2. Mit dem herrschenden Begriffe des Drehens und Windens. Tobak spinnen, die getrockneten Blätter des Tobakes zu langen runden Strähnen zusammen drehen. S. Tobakspinner. Die Nadler spinnen den Knopfdraht auf eine Spindel, wenn sie denselben vermittelst eines Rades schnell über dieselbe winden, auf welche Art auch die Gold- und Silberspinner den Gold- und Silberlahn auf seidene Fäden spinnen. Das Spinnen der Knopfmacher ist von noch anderer Art, obgleich auch eine Art eines schnellen Bewindens oder Umwindens vermittelst eines Rades. Gesponnene Knöpfe. Heu spinnen, es in Bündel binden. So auch das Spinnen.

Anm. Es ist ein sehr altes Wort, welches schon bey dem Ulphilas und im Angels. spinnan, bey dem Ottfried spinnen, im Nieders. gleichfalls spinnen, im Engl. to spin, im Schwed. und Ißländ. spinna, im Dän. spinde, und im Griech. ohne Zischlaut πηνιζειν lautet, wo auch πηνιον, ein Faden, und πηνος, ein Gewebe ist. Das doppelte n in der Mitte deutet auf ein Intensivum. In der ersten Bedeutung scheinet es ein Intensivum von σπάν, ziehen, S. Spannen, zu seyn; allein in der zweyten sticht der Begriff des Windens deutlich hervor, besonders des schnellen Bewindens vermittelst eines Rades. Indessen kann es auch in beyden Fällen eine unmittelbare Onomatopöie des mit dem Spinnen verbundenen Lautes seyn.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 210-211.
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