Spur, die

[254] Die Spur, plur. die -en, ein Wort, welches überhaupt den Begriff eines Einschnittes, Eindruckes, einer Öffnung u.s.f. zu haben scheinet.

1. Überhaupt, wo es doch nur noch in einigen einzelnen Fällen üblich ist. So ist im Bergbaue die Spur, der Mittelpunct in dem Pfännchen, worinn das Kreuz oder die Spindel herum läuft, wo es eigentlich eine Vertiefung, ein Loch, zu bezeichnen scheinet. In einem andern Verstande ist im Hüttenbaue die Spur, ein runder vertiefter Zirkel im Treibeherde, worin sich das Blicksilber setzt, ingleichen eine ähnliche Vertiefung in dem hohen Ofen und Krummofen, in welcher das geschmolzene Metall zusammen fließet. Die Spur schneiden, sie in dem Herde ausschneiden. Die Bergleute nennen diejenige Kerbe, welche sich bey Bohrung der Schießlöcher machen, gleichfalls die Spur.

2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist die Spur der Eindruck von dem Gange eines Dinges in dem Boden, sowohl von lebendigen Geschöpfen, als auch in weiterm Verstande von leblosen Dingen; wo es denn gemeiniglich collective, sowohl im Singular, als Plural von mehrern solchen Eindrücken gebraucht wird. (1) Eigentlich. Die Spur eines Menschen. Der Spur eines Diebes nachgehen. Jemanden auf die Spur kommen, auch figürlich,[254] Merkmahle bekommen, woraus man ihn oder seine Gesinnung, sein Maßregeln entdecken kann.


Wenn er –

Im seligsten Triumphe fährt,

Indeß der Überfluß auf jede seiner Spuren

Ein ganzes Füllhorn leert,

Raml.


Bey den jagdbaren Thieren wird die Spur gemeiniglich die Fährte genannt, obgleich einige beyde noch unterscheiden, und Spur nur von geklaueten Thieren gebrauchen, dagegen andere es bloß auf das niedere Wildbret einschränken. Die Spur verlieren. Der Hund gehet der Spur nach, ist auf der Spur. Wenn es aber im Lichtwehr heißt: Ein Fuchs,


Der oft mit mehrerm Glück als Rechte

Der schnellen Hunde Spur entgieng,


wo es von der Handlung des Spürens gebraucht zu seyn scheinet, so ist solches ungewöhnlich und wider den Sprachgebrauch. In einem etwas andern Verstande ist die Spur auch der Eindruck im Boden von einem beständigen Gange. Bey den Pferdemühlen müssen die Pferde immer in einer und ebenderselben Spur bleiben. Auch das Geleise eines Wagens wird in manchen Provinzen häufig die Spur genannt. (2) In weiterer und figürlicher Bedeutung, ist die Spur ein jedes Merkmahl einer vorhandenen oder vorhanden gewesenen Sache, wo sich denn ein doppelter Nebenbegriff mit einschleicht. (a) Ein Merkmahl einer vorhanden gewesenen Sache, ein Überbleibsel derselben. Das sind noch die Spuren der ehemaligen Verwüstung. Man sieht keine Spur mehr von dieser ehedem so großen Stadt. (b) Ein Merkmahl, ein Erkenntnißgrund einer nicht sichtbar erkannten Sache. Spuren von etwas haben. Es sind Spuren davon da. An den Unfällen und glücklichen Begebenheiten die Spuren der Vorsehung entdecken.

Anm. In der zweyten Hauptbedeutung schon bey dem Ottfried und Notker Spor, im Oberdeutschen noch jetzt das Spor, das Gespor, oder das Gespöre, bey dem Willeram und Strycker im männlichen Geschlechte der Spor, im Nieders. Spoor, im Schwed. Spår, im Angels. Spor, im Ißländ. Spör. In der ersten allgemeinen Bedeutung ist es wohl gewiß, daß es den Begriff der Öffnung, Vertiefung u.s.f. hat, und als ein Verwandter von bohren angesehen werden müsse. Allein in der zweyten Bedeutung haben fahren, für gehen, sich bewegen, πορος, Gang, Fährte, Ferse und alle dieses Geschlechtes gleichen Anspruch auf die Verwandtschaft, so wie sich in der figürlichen Bedeutung der Begriff des Wahrnehmens, Erfahrens, u.s.f. mit einschleicht. S. Spüren.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 254-255.
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