[407] Stören, verb. regul. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfswort haben, wo es, 1. Eigentlich eine Onomatopöie ist, eine gewisse dem Laute dieses Zeitwortes angemesene Art des Geräusches zu bezeichnen. In dieser Bedeutung ist es zwar längst veraltet, allein es finden sich doch noch häufige Spuren davon. Bey dem Ulphilas ist staurran, murren, brummen, welches ein Intensivum davon ist. Frisch führet verschiedene Stellen aus ältern Schriften an, woraus erhellet, daß Storing, Storling, Storin, Lärmen, heftiges Geräusch bedeutet habe. Dahin gehöret auch unser Sturm, und ohne Zischlaut turnieren, Lärmen machen, das alte Thor, der Donner und andere mehr. 2. In weiterer Bedeutung wurde es nachmals gebraucht, verschiedene Handlungen zu bezeichnen, welche mit diesem oder doch einem ähnlichen Laute verbunden sind. Daher das griechische σορειν, zu Boden werfen, welches noch in unserm zerstören, und in den Intensivis sternere und stürzen zum Grunde liegt. Ehedem wurde storen auch für treiben gebraucht; die Winde storen die Wolken zusammen, bey dem Frisch. Daß es vor Zeiten auch für gehen, wandern gebraucht worden, erhellet auch aus dem noch Oberdeutschen Intensivo sterzen, störzen, im Lande herum wandern, daher ein Landstreicher daselbst ein Landstörzer heißt, S. Sterze und Sterzen. 3. Jetzt gebrauchen wir es in dieser Form nur noch in der Bedeutung, auf ungebührliche oder unordentliche Art in etwas herum fahren. Alles herum stören, unordentlich herum werfen, um etwas darin zu suchen. Unter den Büchern herum stören. In alten Schriften stören, verächtlich für suchen. In ein Wespennest stören.
Genug, wer Wespen stört, kriegt Beulen ins Gesicht,
Can.
wo es auf eine ungewöhnlichere Art active gebraucht wird. In der Nase, in den Zähnen stören. Intensiva und Frequentativa davon sind in dieser Bedeutung die in den gemeinen Sprecharten üblichen stirlen, störlen, sturlen, storgen u.s.f. So auch Aufstören,[407] Ausstören u.s.f. 4. Hierher gehöret auch die bey den Handwerkern übliche Bedeutung, wo stören so viel ist, als in dasselbe pfuschen, ein Pfuscher seyn, nicht in der folgenden Bedeutung, als wenn es eigentlich hieße, die guten Ordnungen des Handwerkes, dessen Vorrechte stören, sondern ohne Zweifel von stören, so fern es ehedem auch herum gehen, wanden bedeutete, und das Stammwort von dem schon gedachten sterzen ist. Daß diese Ableitung die wahrscheinlichste ist, erhellet aus dem bey dem Pictorius befindlichen Hauptworte Stör, welches er durch die Arbeit eines Handwerkers außer dem Hause erkläret; auf die Stör gehen, außer dem Hause arbeiten, eigentlich auf die Wanderschaft gehen. Weil die Pfuscher gemeiniglich im Lande herum wankern, oder doch außer ihrem Hause arbeiten, so hat daher das Zeitwort stören die Bedeutung des Pfuschens bekommen. Daher der Störer, im Oberd. Störger, ein Pfuscher, in der Schweiz Schübler; die Störerey, in den gemeinen Sprecharten die Pfuscherey.
II. Als ein Activum. 1. Die Fortdauer einer Sache auf eine unerlaubte, oder doch unangenehme Art unterbrechen; eine Figur der vorigen Bedeutung. Den Frieden, die öffentliche Ruhe stören. Das gute Vernehmen einer Familie stören. Stören sie meine Freude nicht. Kein Hauch störte die Heiterkeit der Lust.
Ich sann dem Zweifel nach, der meine Ruhe stört,
Gell.
Jemanden stören, ihn auf eine unangenehme Art in einer Handlung unterbrechen. Lassen sie sich nicht stören. Hier stört mich alles. Das Geräusch störte mich im Nachdenken. Jemanden in der Arbeit, in der Ruhe, in dem Schlafe, im Studieren, in der Andacht stören. 2 * Vernichten, den Zusammenhang aller Theile eines Dinges gewaltsam unterbrechen, in welcher Bedeutung es veraltet ist, seitdem das zusammen gesetzte zerstören dafür üblicher geworden. Indessen gebraucht Notker noch storen für zerstören. Daher das Stören, und in der thätigen Bedeutung auch wohl die Störung.
Anm. Bey dem Notker sturan und storen, im Angels. styran, für rühren, bewegen, im Engl. stirr, im Ißländ. sturla, im Schwed. förstöra, im Lat. ohne Zischlaut, turbare, alle in der ersten thätigen Bedeutung. Im Engl. ist stir anreizen, anstören.