Stand, der

[286] Der Stand, des -es, plur. die Stände, von dem Zeitworte stehen.

1. Das Stehen, die Handlung des Stehens; ohne Plural. (1) Eigentlich, wo es doch nur in einigen Fällen üblich ist. Keinen festen Stand haben, nicht fest stehen können, wo aber auch die dritte Bedeutung des Ortes statt finden kann. Am üblichsten ist es in den Zusammensetzungen Stillstand, Aufstand u.s.f. Ingleichen wird es in manchen Fällen von leblosen Dingen gebraucht. Der höchste Stand des Wassers. Der niedrigste Wasserstand des Flusses.

(2) In engerer Bedeutung. (a) Im Gegensatze der Bewegung, doch nur in einigen figürlichen R.A. Stand halten, stehen bleiben, nicht fliehen. Aus Scham mußt ich Stand halten, Less.


Als wie ein Held in seiner Hand

Geschwinde Kriegespfeile träget,

Sie auf den starken Bogen leget,

Schnellt los, und hält mit ihnen Stand,

Opitz, Ps. 127.


Ingleichen figürlich. Noch hat sie ziemlich Stand gehalten. Weiße; sie ist so ziemlich standhaft geblieben.


Wer ihn den Herren liebt,

Bey diesen hält er Stand,

Opitz, Ps. 97;


denen stehet er kräftig bey, verläßt sie nicht. (b) Im Gegensatze des Liegens, auch nur in einigen figürlichen Arten des Ausdruckes. Zu Stande kommen, den gehörigen Grad der Vollkommenheit erlangen. Etwas zu Stande bringen, es zu dem gehörigen Grad der Vollkommenheit bringen. Viel anfangen und nichts zu Stande bringen. Auf diese Art werden wir niemahls zu Stande kommen.

2. Die Art und Weise, wie man stehet. (1) Eigentlich und ohne Plural, nur in einigen Redensarten. Ich habe hier keinen guten Stand, stehe hier nicht gut.

(2) Figürlich, der Inbegriff der zufälligen Bestimmungen eines Dinges.

(a) Im weitesten Verstande, und ohne Plural, wo es oft mit Zustand gleich bedeutend ist, mehrentheils aber eine mehrere[286] Dauer und Beständigkeit dieser zufälligen Bestimmungen ausdruckt, wie das letztere; welches vermöge der Partikel zu etwas mehr vorübergehendes zu bezeichnen scheinet. Der Umstand ist eine dieser zufälligen Bestimmungen selbst. Du wirst einen schweren Stand bekommen, wirst viel zu leiden, viel Hindernisse zu überwinden bekommen. Das war ein harter Stand. Er schien den Stand meines Herzens zu wissen, den Zustand. Die Sache befindet sich noch in dem vorigen Stande. Etwas wieder in den vorigen Stand setzen. Etwas im Stande erhalten, in dem gegenwärtigen oder auch im gehörigen Stande. Ein Haus im baulichen Stande erhalten. Im Stande seyn, etwas zu thun, die nöthigen Kräfte, das Vermögen, den Willen dazu haben. Ich bin es nicht im Stande, bin nicht im Stande es zu thun. Er setzt mich durch seine gar zu große Sparsamkeit außer den Stand (besser außer Stand, ohne Artikel) jemanden Gutes zu thun, Gell. Die Finsterniß des Verstandes ist der Stand der Abwesenheit der zur Beurtheilung unserer Umstände unentbehrlichen Wahrheiten.

(b) Im engern Verstande von besondern Arten solcher zufälligen Bestimmungen, da denn von mehrern Einrichtungen Einer Art auch der Plural die Stände üblich ist. Der Nymphen oder Puppenstand eines Insektes, im Gegensatze des Standes seiner Vollkommenheit. Besonders: 1. In der Theologie werden die außerwesentlichen Verhältnisse und Veränderungen Christi, die zur Verrichtung seines Mittleramtes nothig waren, Stände genannt. Der Stand der Erniedrigung Christi, im Gegensatze des Standes der Erhöhung. Von Menschen aber gebraucht, bezeichnet es die Einrichtung der zufälligen Beschaffenheit oder außerwesentlichen Umstände in Absicht auf Gott. Der Stand der Unschuld, der Sünde, der Gnade, der Knechtschaft, der herrschenden Sicherheit, und so ferner. 2. In Ansehung der bürgerlichen Gesellschaft ist der Stand überhaupt der Inbegriff der zufälligen Bestimmungen in Ansehung des gesellschaftlichen Lebens, welche denn wieder von verschiedener Art sind. Der ledige Stand, im Gegensatze des Ehestandes. In den Stand der heiligen Ehe treten. Der Jungfernstand, der Junggesellenstand, der Wittwenstand. Mit seinem Stande zufrieden seyn. In engerer Bedeutung sind die Stände die verschiedenen Arten von Verhältnissen gegen die ganze bürgerliche Gesellschaft; wo es aber auch eine Figur der folgenden Bedeutung des Ortes seyn kann. Niemand ist mit seinem Stande vergnügt. Von vornehmen, von geringem Stande seyn. Das lässet nicht für meinen Stand. Im Mittelstande leben. Ein Mann von Stande, elliptisch, für von vornehmen Stande; eine Redensart, welche Gottsched ohne Noth tadelte, weil es tausend ähnliche Ellipsen gibt. Der Hausstand oder Nährstand, der bürgerliche Stand, der geistliche Stand, oder Lehrstand, der Kriegsstand oder Wehrstand, der obrigkeitliche Stand, der Bauernstand. Der Fürstenstand, Grafenstand, Ritterstand, Adelstand, Herrenstand u.s.f. Da es denn zuweilen auch den Inbegriff der Pflichten und Befugnisse im gesellschaftlichen Leben, noch häufiger aber als ein Concretum und Collectivum, alle zu einem gewissen Stande gehörigen Personen bezeichnet. Siehe die folgende vierte Hauptbedeutung dessen was stehet.

3. Der bestimmte Ort, wo man stehet, mit dem Plural. Der Stand in der Kirche, der Kirchenstand. Seinen Stand auf dem Chore haben. Der Stand eines Krämers auf dem Markte, Siehe Standgeld. Die Stände für die Pferde in einem Pferdestalle, die abgetheilten Räume. Bey dem Scheibenschießen ist der Stand, der bestimmte Ort, wo man sich zum Schießen anstellet, S. auch Anstand. Bey den Jägern werden die Orte im Walde, wo sich das Wild gerne stecket, und wo sich[287] das Raubgeflügel des Abends einfindet, dessen Stände genannt. In weiterer Bedeutung bezeichnet es auch den Ort, wo ein Thier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, so wie es in Gerichtsstand figürlich dasjenige Gericht bedeutet, vor welchem jemand zu Recht stehen muß, oder dessen Gerichtbarkeit er unterworfen ist.

4. Dasjenige was stehet. (1) Im weitesten Verstande, doch nur in den Zusammensetzungen Rückstand, Gegenstand, Beystand, Vorstand u.s.f. (2) In einigen besondern Fällen. (a) Der Viehstand, als ein Collectivum, eine Anzahl zu einem Grundstücke gehörigen Viehes, wofür auch Viehstamm üblich ist. Einen ansehnlichen Viehstand haben. Besonders, wenn es als ein Inventarium zu dem Grundstücke gehöret. Der Schaf-, Rind-, Schwein- und Federviehstand. (b) In dem Staatsrechte, ist ein Stand, eine Person, welche in den Versammlungen der Häupter eines Landes Sitz und Stimme hat; eine vermuthlich noch aus den ältesten Zeiten herrührende Bedeutung, wo die Berathschlagungen in dergleichen Versammlungen stehend gehalten wurden. Ein Landstand, eine Person, welche auf den Landtagen Sitz und Stimme hat, und auch nur ein Stand schlechthin genannt wird. Auch eine ganze Gemeinheit, z.B. eine Stadt, wenn sie den Landtagen durch Abgeordnete beywohnet, heißt alsdann ein Stand oder Landstand. Der Stand eines Reichs oder Reichsstand, eine Person oder Gemeinheit, welche auf den Reichstagen Sitz und Stimme hat, und gleichfalls nur schlechthin ein Stand genannt wird. In dem Deutschen Reiche sind Stände oder Reichsstände im eigentlichsten Verstande unmittelbare Reichsglieder, welche Sitz und Stimme auf den Reichstagen hergebracht haben, dagegen in weiterm Verstande auch solche unmittelbare Reichsglieder diesen Nahmen führen, welche nicht mit Sitz und Stimme versehen sind. Der Nahme ist in diesem Verstande in dem Deutschen Staatsrechte nicht alt, sondern erst unter dem Kaiser Friedrich IV üblich geworden, da man anfänglich nur die niedern unmittelbaren Reichsglieder mit diesem Nahmen belegte, daher denn auch noch jetzt der Ausdruck vorkommt: Churfürsten, Fürsten und Stände des H. R. Reichs. Der katholische Reichstheil behauptete einmahl, daß unter dem Nahmen der Stände bloß weltliche unmittelbare Reichsglieder verstanden würden, welches denn heftige Streitigkeiten veranlaßte. 5. Derjenige Theil, worauf man stehet, in welchem Verstande doch nur die Füße der Auerhahnen und Reiher bey den Jägern Stände, bey andern aber Ständer genannt werden, S. das letzte.

6. Eine kurze Musik, welche man vor einem Hause oder Fenster stehend bringet, ist im Diminutivo unter dem Nahmen des Ständchens bekannt; im Oberd. Ständerlein. Jemanden ein Ständchen bringen.

Anm. Im Engl. Stand, Stond, im Schwed. Stånd, im Poln. Stan; alle von stehen und dessen Imperf. ich stand. Es kommt in den meisten Bedeutungen mit dem Latein Status überein. S. Stehen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 286-288.
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