Stark

[298] Stark, stärker, stärkste, adj. et adv. ein Wort, welches überhaupt dem schwach entgegen gesetzet ist, und eigentlich den Begriff der festen Verbindung seiner Theile und der daraus erfolgenden Härte, Unbiegsamkeit und Unbeweglichkeit hat.

1. * Eigentlich, wo es ehedem für hart und das nahe verwandte starr gebraucht wurde, im Gegensatze das weich oder schwach in der ersten verlateten Bedeutung. Stark so so stein, Ottfried, so hart wie ein Stein. Im Schwed. ist stark, starr, unbeweglich. Das Griech. σερεος, σερρος, starr, und das Lat. durus, hart, dem nur der Zischlaut mangelt, sind nahe damit verwandt.

2. Figürlich, wo es von verschiedenen Eigenschaften der Dinge üblich ist, welche die Härte und Unbiegsamkeit gemeiniglich zu begleiten pflegen. (1) Von der körperlichen Größe; einen beträchtlichen Umfang der Masse, und zwar nach allen Richtungen, besonders aber der Dicke, habend, wo es oft ein anständiger Ausdruck für dick ist, ohne doch den folgenden Begriff der damit verbundenen Kraft auszuschließen. Stark von Gliedern seyn. Dick und stark werden. Ein großer starker Mann. Alle Tage stärker werden, corpulenter, an Masse zunehmen, besonders in der Dicke. Ein starker Baum, im Gegensatze eines schwachen. Ein starkes Reis. Ein starker Strom. (2) In Ansehung der Zahl oder Menge der Theile, aus vielen Theilen oder einzelnen Individuis bestehend. Ein starkes Kriegesheer, oder zahlreiches. Die Armee ist hundert tausend Mann stark. Es war eine starke Gesellschaft da, die Gesellschaft war sehr stark. Ein starkes Gefolge haben. Sich einen starken Anhang machen. Eine starke Familie haben. Wie stark ist die Familie? Aus wie viel Personen bestehet[298] sie? Starke Ausgaben haben, viele. (3) In Ansehung der Zeit und des Raumes. Eine starke Meile, eine starke Stunde. (4) In Ansehung der Kraft, viele Kraft, d.i. viel Vermögen habend, Widerstand zu überwinden; sowohl von der körperlichen Stärke, körperlichen Widerstand zu überwinden. Ein starker Mann. Stark seyn, stark werden. Das Recht des Stärkern, das ewige, allgemeine und unumschränkte Recht der Natur. Eine starke Natur haben. Ein starker Magen. Starke Speise, welche schwer zu verdauen ist. Ein starkes Seil, eine starke Leinwand, ein starkes Tuch. Eine starke Brücke, eine starke Festung, ein starker Thurm. Das Schiff ist sehr stark gebauet. Eine starke Mauer, ein starkes Gebäude. Als auch von andern Arten des Widerstandes. Ein starker Gott. Ein starker Verstand, welcher ungeachtet aller Hindernisse tief in den Zusammenhang der Dinge eindringet. Ein starkes Gedächtniß haben. Ein starker Geist, eigentlich, welcher allen Reizungen zum Gegentheil, und in engerm Verstande, welcher allen Vorurtheilen Widerstand leistet. Ein starker Beweis, welcher alle Gegengründe entkräftet. Stark in einer Kunst oder Wissenschaft seyn, viel Fertigkeit oder Einsicht in derselben besitzen. Ingleichen in einigen engern Bedeutungen. So nennet man gewisse Arten von Getränken, welche schnell und sehr merklich auf die Nerven wirken, starke Getränke. Ein starkes Bier, ein starker Wein, ein starker Essig. So wie eine jede Arzeney stark heißet, wenn sie mit mehr Kraft, als der Widerstand besitzt, wirket. Starke Ausdrücke, welche sehr merklich auf das Gemüth wirken. Ein starkes Gemählde, welches lebhafte Empfindungen hervor bringet. (5) Da es denn oft eine Intension ausdruckt, einen hohen Grad der innern Kraft zu bezeichnen; für heftig. Ein starker Rauch, ein starker Geruch, ein starker Wind, ein starker Regen. Der Hunger ward stark, 2 Kön. 25, 3. Stark schallen, stark schreyen, stark rufen. Eine starke Stimme, ein starker Donner. Ein starker Schlag. Starke Leidenschaften. Ein starkes Fieber. Es sind starke Anzeigen davon vorhanden. Ein starker Schlaf, ein starkes Feuer, ein starker Brand, eine starke Kälte. Ein starker Glaube, eine starke Hoffnung. Durch das Gesträuch reißt sich das Roß mit starkem Ungestüm, Weiße. Stark laufen, gehen, sieden, ziehen, fechten, weinen, anklopfen, zweifeln u.s.f. Man redet stark davon. Sich etwas stark einbilden. Stark an etwas denken. Nimm es dir nicht so stark zu Herzen, so sehr. In den gemeinen Sprecharten ist es hier in vielen Fällen gebräuchlich, wo die edle und anständige Sprechart es nicht kennet. Überhaupt kommt es hier, so wie bey den meisten ähnlichen intensiven Wörtern auf den Gebrauch an, ob er dieses oder ein anderes in jedem einzelnen Falle hergebracht hat. (6) * Im engsten Verstande ist stark, doch nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, so viel als ranzig, von Fett und fetten Dingen. Starke Butter, ranzige. Der Speck ist stark. Ohne Zweifel von der starken widerwärtigen Empfindung, die diese Eigenschaft verursacht.

Anm. Schon bey dem Kero starch, bey dem Ottfried stark, im Schwed. stark. Es ist mit starr, sterilis, σερεος, dem Slavon. star, groß, und andern ähnlichen nahe verwandt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 298-299.
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