Thür, die

[596] Die Thür, plur. die -en, Diminut. das Thürchen, Oberd. Thürlein. 1. In weiterer Bedeutung, eine mit einer senkrechten, senkrecht auf ihrer Angel stehenden beweglichen Fläche versehene Öffnung zu einem verschlossenen Raume, um zu demselben zu kommen, und die Fläche, womit diese Öffnung geschlossen wird. In dieser weitern Bedeutung hat man Ofenthüren, Schrankthüren, Thüren an den Bratröhren, Feuermauern, Vogelhäusern u.s.f. wo bald die Öffnung, bald aber auch die bewegliche Fläche von derselben den Nahmen der Thür führet. Der senkrechte Stand unterscheidet eine Thür von einem Deckel, der senkrechte Stand auf der Angel von einer Klappe, Falle oder Fallthüre, und die Absicht, um zu dem eingeschlossenen Raume zu kommen, von einem Fenster, und andern Öffnungen, welche andere Absichten haben. 2. In engerer Bedeutung ist die Thür eine solche Öffnung, um in einen umschlossenen Raum zu gehen, wo wiederum bald die Öffnung selbst, bald aber auch die Fläche, womit sie verschlossen wird, die Thür heißt. Die Hausthür, Stubenthür, Kammerthür, Hinterthür, Nebenthür, Hofthür, Treppenthür, Stallthür, Kellerthür, Gartenthür, Kirchenthür u.s.f. Die Thür aufmachen, zumachen, aufschließen, zuschließen. An die Thür klopfen. Vor der Thür stehen. In die Thür treten. An der Thür stehen. Zur Thür hinaus, hinein gehen. Vor der Thür, in dem Raume ausserhalb der Thür. Sein Brot vor den Thüren suchen, von Haus zu Haus betteln. Den Lastern Thür und Thor aufthun, ihnen den ungehinderten Eingang verstatten. Daher auch die figürlichen Arten des Ausdruckes, in welchen Thür zum Theil das Zimmer und das Haus bedeutet. Jemanden die Thür weisen, ihn fortgehen heißen. Die Thür suchen, sich in der Geschwindigkeit fortmachen. Sich nach der Thür umsehen, zu entkommen suchen. Hinter der Thür Abschied nehmen, ohne Abschied fortgehen. Mit der Thür ins Haus fallen, ungestüm zuplatzen. Zwischen Thür und Angel stecken, aus zwey Übeln Eins erwählen müssen. Man sucht niemanden hinter der Thür, wenn man nicht selbst dahinter gewesen ist, das Bewußtseyn eigner Schuld macht, daß man andere in gleichem Verdachte hat. Vor fremden Thüren kehren, und seine eigene nicht rein halten, an andern Fehler entdecken und seine eigenen übersehen. Vor der Thür, nahe, sowohl von dem Orte, als der Zeit. Der Feind ist vor der Thür, ist nahe, ist nicht mehr weit. Ostern ist vor der Thür. Seine Besserung ist vor der Thür. Es ist ein Krieg vor der Thür. Wenn bey den Tuchbereitern ein viereckiges Bret, welches man über die Tücher legt, wenn sie gepreßt werden, die Preßthür heißt, so geschiehet es vermuthlich um der Ähnlichkeit willen, oder auch, weil man sich dazu anfänglich wirklich einer Thür bedienet hat.

Anm. Im Isidor Duri, beym Kero Tur, beym Willeram Ture, bey dem Notker Dura und Ture, in Oberschwaben noch jetzt Düra, im Nieders. Dör, im Schwed. Dör, im Dänischen Dor, im Ißländ. Dyr, im Engl. Door, bey dem Ulphilas Daur, im Böhm. Dwere, bey den Sorben-Wenden Duri, im Alban. Dera, im Epirotischen Derene, im Pers. Der, im Griech. θυρά im Chald. תרע, (Tera); woraus das hohe Alter dieses Worts hinlänglich erhellet. Es ist, wie schon von den meisten Sprachforschern bemerket worden, sehr wahrscheinlich, daß der Begriff der Öffnung und der Bewegung durch dieselbe in diesem Worte der herrschende ist, und daß es also mit dem Vorworte durch auf das genaueste verwandt ist. Diesen weitesten Begriff der Öffnung bestätigen noch Ulphilas Thairko nethlos, ein Nadelöhr,[596] (bey den krainischen Wenden heißt Urata, die Thür, welches mit unserm Öhr verwandt ist,) und das Angels. Thyrl, ein Loch, Naes-Thyrl, das Nasenloch, welches eigentlich das Diminutivum von Thür ist. Das Lat. obturare, ein Loch ausfüllen, scheint auch hierher zu gehören. S. auch Einthüren, welches bey den Müllern üblich ist, die Öffnungen der Mühlenflügel mit Schindeln ausfüllen.

Viele schreiben dieses Wort Thüre, unter dem Vorwande, weil es weiblichen Geschlechtes ist. Allein, so fehlerhaft dieses e in Spur, Flur, Mauer, und hundert andern ähnlichen seyn würde, so unnöthig ist es auch hier.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 596-597.
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