Tracht, die

[635] Die Tracht, plur. die -en, von dem Zeitworte tragen. 1. Ein Ding, welches trägt, doch nur in einigen Fällen. Ein Schulterjoch, Eimer mit Wasser und andere Lasten daran zu tragen, heißt in Nieder-Deutschland eine Tracht, Nieders. Dragt. Ingleichen in der Baukunst: Man muß dem Balken mit Tägern zu Hülfe kommen, oder ihm sonst hinlängliche Tracht verschaffen, wo es doch ein Abstractum zu seyn, und den Zustand, da etwas getragen wird, zu bezeichnen scheinet. 2. Was getragen wird, oder[635] vielmehr so viel als auf Ein Mahl getragen wird, in verschiedenen Bedeutungen des Zeitwortes tragen. 1) In der eigentlichen. Eine Tracht Holz, so viel Holz, als ein Mensch auf Ein Mahl tragen kann. Zwey Trachten Wasser, in Meißen zwey Fahrten. Eine Tracht Schläge, Prügel, figürlich, so viel als jemand ertragen kann. In engerer Bedeutung ist eine Tracht Speisen nicht ein Gericht, wie es in einigen Wörterbüchern erkläret wird, sondern so viel Gerichte, als auf Ein Mahl aufgetragen und aufgesetzet werden, wofür auch das Wort Gang üblich ist. 2) Von tragen, schwanger, trächtig seyn, ist eine Tracht junger Thiere, so viel Junge, als ein Thier auf Ein Mahl wirft, oder zur Welt gebieret. Eine Tracht Hunde, Katzen. 3) In einigen Gegenden sagt man auch die Tracht eines Ackers, so viel als er trägt, dessen Ertrag. 3. Die Art und Weise, wie man sich trägt, d.i. kleidet. Eine bequeme, beschwerliche, alberne Tracht. Die großen Reifröcke sind eine abenteuerliche Tracht. Die Pohlnische und morgenländische Tracht ist der Natur gemäßer, als die Französische. Die Tracht der Altenburgischen Bauern. Da es denn auch wohl für das Französische Mode gebraucht wird. Neue Trachten erdenken. 4. In einigen Gegenden wird auch die Ferse an dem Pferdehufe die Tracht, Nieders. Dragt genannt, welches gleichfalls hierher zu gehören scheinet.

Anm. Tracht stammet auf eben die Art von tragen ab, wie Schlacht von schlagen. Die Niederdeutschen schreiben es mit dem g, Dragt, und die Schweden Drägt, dagegen im Hochdeutschen um des geschärften Tones willen das g in das ch übergegangen ist. In Eintracht und Zwietracht wird es auch als ein Abstractum von dem Zustande gebraucht, S. diese Wörter.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 635-636.
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