Vermögen, das

[1096] Das Vermögen, des -s, plur. inusit. das Hauptwort von dem vorigen Zeitworte, die Fähigkeit oder Möglichkeit Veränderungen hervor zu bringen. 1. Im weitesten Verstande, wo das Vermögen eine Art der Fähigkeit ist. Kraft ist im eigentlichsten Verstande das Bestreben, sein Vermögen zu äußern, das Vermögen in der Anstrengung, in der Thätigkeit betrachten. Vermögen ist ein sehr allgemeiner Ausdruck, welcher als ein solcher auch in der philosophischen Schreibart am üblichsten ist, in der Sprache des gesellschaftlichen Umganges aber nicht so häufig, und gemeiniglich nur in manchen Fällen, besonders von den Kräften des Leibes, gebraucht wird, dagegen in andern Kraft u.s.f. üblicher sind. Gott den Herrn lieb haben von allem Vermögen, 5 Mos. 6, 5; wo man jetzt lieber sagen würde, aus allen Kräften. Es ist kein Vermögen in unsern Händen, Nehem. 5, 5. Mein Vermögen ist weg, Hiob 6, 13. Sich mehr unterstehen, denn sein Vermögen ist, Jerem. 48, 30. Gott läßt euch nicht versuchen über euer Vermögen, 1 Cor. 10, 13. Und so in andern Stellen mehr, wo man jetzt lieber das Wort Kraft gebraucht, besonders, wenn von der Fähigkeit des Körpers die Rede ist, Veränderungen durch Ueberwindung der Schwere hervor zu bringen. Doch gebraucht man es noch von den Kräften des Leibes in manchen R.A. besonders mit einigen Vorwörtern. Über sein Vermögen arbeiten, laufen, essen, trinken u.s.f. Du steigst sonst über dein Vermögen, Gell. Nach Vermögen arbeiten, nach dem Maaße seiner Kräfte. In weiterm Verstande sagt man, das ist oder stehet nicht in meinem Vermögen, ich vermag das nicht, dazu reichen meine Kräfte nicht hin, sie seyn nun von welcher Art sie wollen. Ein Pferd hat viel Vermögen, wenn es viele Leibeskräfte hat. Im weitesten Verstande wird es, wie schon gedacht, in der Philosophie gebraucht.[1096] Schmackhafte Körper sind solche, welche das Vermögen haben, Empfindungen auf der Zunge hervor zu bringen. Das Vermögen zu begehren, das Begehrungsvermögen, das Vermögen zu wollen, zu erkennen, sich zu erinnern, zu urtheilen u.s.f. In welchem Falle auch von einigen der Plural gebraucht wird. Diese zwey Vermögen der Seele, Sulz.


Erstaunliches Gefolg unzähliger Vermögen,

Dusch.


Der doch außer der philosophischen Schreibart ungewöhnlich ist. 2. In der engsten Bedeutung ist das Vermögen, oder, wie es auch zuweilen heißt, zeitliches Vermögen, derjenige Vorrath an Geld und Geldeswerth, welchen jemand eigenthümlich besitzet, als die große Triebfeder aller menschlichen Unternehmungen. Viel Vermögen haben, besitzen. Ein großes Vermögen haben. Um sein Vermögen kommen. Sein ganzes Vermögen an etwas wenden. Der Herr segne sein Vermögen, 5 Mos. 33, 11. Sie gaben nach ihrem Vermögen, Esr. 2, 69. Sich über sein Vermögen angreifen, mehr, als jemandes Vermögen vernünftiger Weise verstattet. Er hat fast eine Tonne Goldes im Vermögen. Viel, wenig im Vermögen haben.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1096-1097.
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