Verschmähen

[1124] Verschmähen, verb. reg. act. welches in doppelter Gestalt vorkommt. 1. * Als ein unpersönliches Zeitwort, wenigstens nur in der dritten Person. Das verschmähet mich, ist mir empfindlich, ich ziehe es mir zu Hohne, zur Schmach. Dis lob beginnet vil frowen versman, Heinrich von Morunge. Ich han so vil daher geklagt, Das es versmat den Kinden, Reinmar der Alte, der es aber wider die Gewohnheit mit der dritten Endung der Person gebrauchet. Es ist in dieser Bedeutung im Hochdeutschen veraltetet, so wie das Nieders. versmaden, welches ehedem eben so gebraucht wurde.

2. Als ein persönliches Zeitwort. (1) Mit Schmach belegen, als ein Intensivum von dem einfachen schmähen, sehr schmähen,[1124] ausschmähen; eine Bedeutung, welche wenig mehr vorkommt. Verspottet und verschmähet werden. Im Österreichischen ist daher Verschmach noch Zorn, Beleidigung. (2) Verachten; eine sehr alte Bedeutung, in welcher fersmahen schon bey dem Notker vorkommt. Du machest sie zu Schanden, denn Gott verschmähen sie, Ps. 53, 6. Wie hat mein Herz die Strafe verschmähet! Sprichw. 5, 12. Es tauget gar nichts, daß man einen armen Verständigen verschmähet, und einen reichen Gottlosen ehret, Sir. 10, 26. Und so in andern Stellen mehr. Es ist in dieser weitern Bedeutung im Hochdeutschen gleichfalls veraltet, wo man es nur noch in engerer gebraucht, aus Verachtung nicht annehmen wollen, aus Geringschätzung ausschlagen. Wil si mih ze fruinde versmahen, Heinrich von Sax. Ein Geschenk verschmähen.


Was du mit Zittern glaubst, und bald aus Stolz verschmähst,

Und bald, wenn du dich fühlst, vom Himmel trotzig flehst,

Less.


So auch die Verschmähung, welches Wort in der ersten persönlichen Bedeutung auch den Plural leidet.

Anm. Im Nieders. versmaden. Es sind in diesem Zeitworte zwey verschiedene, aber doch verwandte Bedeutungen zusammen geflossen, die von Schmach und dem einfachen schmähen, und die von dem alten noch Niederdeutschen sma, klein, geringe, verächtlich, welche letztere in der letzten Bedeutung herrscht. Im Schwedischen sind daher beyde Bedeutungen auch in dem Zeitworte verschieden; försmäda, ist daselbst verschmähen, sehr schmähen, und försmä, verschmähen, verachten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1124-1125.
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