Verwerfen

[1177] Verwêrfen, verb. irreg. S. Werfen, welches in zwiefacher Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, zur Unzeit, zu frühe Junge werfen, mißgebären, wo es von solchen vierfüßigen Thieren gebraucht wird, von welchen werfen für gebären üblich ist. Die Hündinn, die Stutte hat verworfen. Im Nieders. versmiten.

II. Als ein Activum. 1. Sich verwerfen, sich im Werfen irren, da man es unter andern alsdann gebraucht, wenn man das Geld wurfweise oder nach Würfen zählet. 2. Durch Werfen der Menge nach erschöpfen. Alle Steine verworfen haben. Ingleichen als ein Reciprocum, sich verwerfen, alle vorräthige Steine geworfen haben. 3. An einen unrechten und zugleich unbekannten Ort werfen, besonders figürlich, ein Ding nachlässig wohin legen, ohne daß man weiß, wohin man es geleget; verlegen. Ich habe es verworfen. Es muß verworfen seyn. Ich werde es doch nicht ganz und gar verworfen haben? 4. Ohne den Nebenbegriff des unbekannten Ortes verwirft man etwas, wenn man es auf eine nachläßige Art aus der gehörigen Ordnung bringt. Besonders von Wörtern. Die Wörter einer Rede verwerfen, sie unter einander werfen. Verworfene Buchstaben, versetzte. 5. Mit der Bedeutung der Entfernung ist verwerfen, als untauglich wegwerfen. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, Ps. 118, 22; weggeworfen. Sehr häufig auch figürlich, für untauglich erklären, wegen seiner Untauglichkeit nicht annehmen. Jemandes Rath verwerfen. Deine Meynung ist verworfen worden. Ohne mir einen Grund deines Abscheues abzugeben, verwirfst du einen würdigen Mann, Gell. Ich habe alle Möglichkeiten, mir zu helfen, durchgedacht und verworfen. Die Zucht des Herrn, das Gesetz, das Böse verwerfen, in der Deutschen Bibel. Gott verwirft die Frommen nicht, Hiob 8, 20. Wo aber verstoßen schicklicher ist. In sehr hartem Verstande ist verworfen im hohen Grade lasterhaft, niederträchtig, im gemeinen[1177] Leben weggeworfen. Eines solchen Grades der Raserey sind nur die Verworfensten des menschlichen Geschlechts fähig. Eine unmäßige Liebe kann zu der verworfensten Leidenschaft werden.

So auch die Verwerfung, welches selbst in der Bedeutung des Neutrius gebraucht wird. Schon bey dem Kero faruuerfen, bey dem Ottfried firuuerphan. Die Niedersachsen gebrauchen in allen Bedeutungen dieses Zeitwortes verschmiten, ob sie gleich in der letzten auch verwarpen sagen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1177-1178.
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