Wasser, das

[1400] Das Wasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten oder Sammlungen, ut nom. sing. derjenige flüssige Körper, welcher sich in dem Dunstkreise des Erdbodens sammelt, und sich auf mancherley Art in und über der Erde verbreitet.

1. Eigentlich als ein Materiale, da der Plural nur von mehrern Arten üblich ist. (a) Im eigentlichsten Verstande, von diesem über und unter der Erde verbreiteten natürlichen flüssigen Körper. Der Schnee wird zu Wasser. Wasser trinken. Ein Glas Wasser. Das Wasser ableiten. Kaltes, warmes Wasser. Hartes Wasser, welches viele erdige und mineralische Theile hat, zum Unterschiede von dem weichen. Ein Land unter Wasser setzen, machen, daß es überschwemmet wird. Zu Wasser reisen, zu Schiffe. Krieg zu Wasser und Lande. Das Wasser steigt, wenn es sich häuft, oder wenn es zunimmt; es fällt, wenn es abnimmt. Hohes Wasser, wenn es ungewöhnlich zugenommen hat. Brunnenwasser, Regenwasser, Flußwasser, Meerwasser u.s.f. Figürliche Arten des Ausdrucks sind: Der Mund läuft ihm voll Wasser, wenn er begierig nach einer Sache wird. Das ist Wasser auf seine Mühle, kommt ihm zu gelegener Zeit, dient in seinen Kram. Wasser in das Meer, in den Rhein, in den Brunnen tragen, vergebliche Arbeit, etwas im höchsten Grade überflüßiges thun. Im trüben Wasser fischen, sich die Zeit der Unruhe zu Nutze machen. Zu Wasser werden, vereitelt werden, vermuthlich von dem geschmolzenen Eise. Einem etwas zu Wasser machen, es ihm vereiteln. Er reicht ihm das Wasser nicht, d.i. er ist nicht werth, ihm das Wasser zu reichen, er kommt ihm nicht gleich, nicht bey; eine Figur, welche vermuthlich von der ehemahligen Gewohnheit, einem Gaste vor und nach Tische das Handwasser zu reichen, hergenommen ist. (b) Verschiedene Arten flüssiger Körper, welche diesem Naturkörper an Farbe und Flüssigkeit ähnlich sind. So hat man gebrannte oder destillierte Wasser. Auch manche Arten Branntwein werden in Zusammensetzungen Wasser genannt; Goldwasser, Magenwasser, Lebenswasser u.s.f. Ingleichen flüssige, dem Wasser ähnliche Arzneyen. Augenwasser. Ungarisches Wasser, mit Weingeist destillierter Roßmarin. Die Augen stehen ihm voll Wasser, voll Thränen. (c) Im engsten Verstande bekommt der Urin diesen Nahmen. Einem Kranken das Wasser besehen. Das Wasser abschlagen, sein Wasser lassen, uriniren. Das Wasser nicht halten können. (d) Im gemeinen Leben wird zuweilen ein jeder flüssiger Körper, wenn man dessen eigentlichen Nahmen nicht weiß, oder ihn mit einem allgemeinen Ausdrucke benennen will, Wasser genannt, welches aber Zweydeutigkeit verursacht, und daher nicht nachzuahmen ist.

2. Eine Sammlung Wassers, als ein allgemeiner Ausdruck, welcher Flüsse, Seen, Teiche und das Meer unter sich begreift. Ein fischreiches Wasser. Ein reißendes Wasser. Diesseits des Wassers. Über ein Wasser fahren. Stille Wasser sind tief, oder wie Canitz singt: den stillen Wassern ist am wenigsten zu[1400] trauen, Mangel der Lebhaftigkeit ist kein Zeichen der Einfalt. In solchen Wassern fängt man solche Fische, solche Arbeit gibt solchen Lohn.

3. Bey gewissen Zeugen ist das Wasser das wässerige Ansehen. Der Mohr, der Taffet hat ein schönes Wasser, S. Wässern. Bey den Perlen und Demanten hingegen ist es der reine, dem Wasser ähnliche Glanz.

Anm. Im Isidor uuazsar, im Ottfried uuazar, und im Niederdeutschen mit einem andern Ableitungslaute an der Wurzel, Water, im Angels. waeter, bey dem Ulphilas wate, im Schwed. vatn, im Griech. ὑδωρ, welches, wie Plato in Cratylo versichert, von den Barbarn entlehnet worden. Die letzte Sylbe ist eine neuere Ableitungssylbe, welche vermuthlich ein Ding, Subject bezeichnet; s und t in den Mundarten häufig gleich bedeutend. Dieß voraus gesetzt, sieht man leicht, daß das Schwed. våt, das Lat. udus, und Slavon woda, welche insgesammt feucht bedeuten, die Wurzel davon sind. Im Niedersächsischen ist Wees die Feuchtigkeit, und Wasen der Brodem. Der Plural wird in den Mundarten häufig Wässer gemacht:


Die Wässer fürchten sich, und fliehen von dem Lande,

Opitz.


Süßer Balsam, theure Wässer,

Gryph.


Allein im Hochdeutschen ist es mit dem ungeänderten Vocale am üblichsten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1400-1401.
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