Zer-

[1685] Zer-, eine alte untrennbare Vorsylbe, welche Verbis, und einigen davon abgeleiteten Wörtern vorgesetzet wird, eine Trennung, Auflösung der Theile durch den Begriff des Verbi zu bezeichnen.

1. Eigentlich, eine völlige Trennung, oder Auflösung der Thei- durch den Begriff des Verbi: zerfallen, aus einander fallen,[1685] zerlegen, aus einander legen, zerfließen, aus einander fließen, zerschlagen, in Stücke schlagen, und so in den meisten folgenden Verbis.

2. Figürlich. (1) Die Erstreckung des Begriffes des folgenden Verbi über den ganzen Gegenstand, und die dadurch bewirkte Verderbung desselben, zu bezeichnen, welche Bedeutung denn oft in eine Art bloßer Intension übergehet. Jemanden zerprügeln, ihn über und über prügeln, ihn gleichsam kraftlos prügeln, sehr prügeln; zerlöchern, überall mit Löchern versehen, und dadurch unbrauchbar machen; zerstechen, zerlumpt u.s.f. (2) Die eigene Entkräftung durch den Begriff des Verbi, eine Übermaß der Handlung desselben, als ein Reciprocum; aber in den allermeisten Fällen nur in den niedrigen Sprecharten und im gemeinen Leben, wo man diese Vorsylbe fast allen Verbis vorzusetzen pflegt, wenn man den obigen Begriff ausdrucken will: sich zerarbeiten, zerärgern, zerplagen, zermartern, zerängstigen, zerlachen, zerlaufen, zerfragen, zergucken, zersinnen, zerstreiten u.s.f. Da diese Bedeutung, wie schon gesagt, den edlern Schreibarten fremd ist, und höchstens nur in der vertraulichen Statt findet, auch täglich neue Ableitungen dieser Art gemacht werden können, so werde ich die meisten davon im Folgenden übergehen.

Anm. Da diese Vorsylbe außer der Ableitung völlig veraltet ist, so gehöret sie auch zu den untrennbaren Vorsylben, welche ihr Verbum in keinem Falle verlassen, und daher auch im Präterito das sonst gewöhnliche Augment ge verdrängen: ich zerschlage, zerschlug, habe zerschlagen. Sie ist zugleich tonlos, und kann daher in der Dichtung nicht anders als kurz gebraucht werden. Zer ist ohne Zweifel die Wurzel von zehren, und dem Intensivo zerren, weil beyde in dem Hauptbegriffe der Trennung der Theile überein kommen. Ehedem wurde zu, und in noch frühern Zeiten zi, häufig für zer gebraucht: zuschlagen, bey dem Ottfried zislagen, für zerschlagen. S. Zu.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1685-1686.
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