[62] (Carl) Friedrich der zweite, der Große, der Einzige, wie ihn die späteste Nachwelt noch nennen wird, wenn sie mehrern ihre glänzenden Beinamen streitig macht (geb. d. 24. Jan. 1712, gest. d. 17. Aug. 1786), war der Sohn König Friedrich Wilhelms I. von Preußen, eines von seinen Zeitgenossen, aber nicht von seinem großen Sohne, verkannten Regenten, den man den Philipy dieses Alexanders nennen kann, da er den Grund des Gebäudes legte, das Friedrich II. vollführte. Seine Mutter war Sophia Dorothea, eine Englische Prinzessin: sie gebar vierzehn Kinder, worunter sieben Söhne waren; und unter diesen war Friedrich der dritte. Die despotische und rohe Erziehung, die er zu Folge der Grundsätze seines Vaters erhielt, unterdrückte die Kraft seines Charakters eben so wenig, als sie seinen Geist für die Cultur und sein Herz für sanfte Gefühle verschloß. Er erfuhr früh die Widerwärtigkeiten des Lebens. Um die Verheirathung mit der Englischen Prinzessin Amalia, der Tochter seines Onkels Georg II. welche seine Mutter eben so sehr wünschte als er selbst, wider den Willen seines Vaters durchzusetzen, wollte er i. J. 1730 nach England fliehen; allein er wurde im August mit seinem Jugendfreunde und Begleiter, von Katte, zu Wesel arretirt. Aeußerst aufgebracht hierüber ließ Friedrich Wilhelm über den Kronprinzen, wie über Katte, Kriegsrecht halten; er wollte seinen Sohn nicht als Kronprinzen sondern als dienenden Officier gerichtet wissen. Die standhaften Vorstellungen der Generale, die im Kriegsrechte über den Prinzen Sitz und Stimme hatten, retteten Friedrichs Leben; dem Lieutenant von Katte hingegen, dessen Urtheil der König selbst schärfte, wurde vor Friedrichs Augen der Kopf abgeschlagen. Der König versöhnte sich endlich mit dem Kronprinzen; und dieser heirathete, nachdem er eine Zeit lang in Küstrin als Kriegsrath arbeiten müssen, i. J. 1733 dem Wunsche seines Vaters gemäß die Prinzessin Elisabeth Christina von Braunschweig-Wolfenbüttel (sie ist ihrem Gemahl [62] 1797 in die Ewigkeit gefolgt). Mit dieser begab er sich nach dem Schlosse Rheinsberg, wo er bis zu seiner Thronbesteigung größten Theils lebte, und, nach Posselts Ausdruck, seiner künftigen Königsrolle nachsann. Die Zeit, die ihm hier von militairischen Uebungen frei blieb, widmete er den Wissenschaften und Künsten. Hier zog er einen Kreis von geistvollen Gelehrten und vortrefflichen Künstlern um sich her, in deren Umgange sich seine Talente zur Philosophie und den schönen Wissenschaften, seine Liebe zur Musik und sein Geschmack in der Mahleri und Baukunst entfalteten. Auch unterhielt er einen Briefwechsel mit auswärtigen Gelehrten, vorzüglich mit Voltaire, dessen Verehrung auch von Seiten seines Charakters bei ihm oft wahre Abgötterei ward; wiewohl er in der Folge, da er als König mit Voltaire in genauere Verbindung trat, den Charakter dieses merkwürdigen Mannes von seinen Talenten wohl zu unterscheiden lernte. So – in der Schule des Schicksals und in geräuschloser, wohlbenutzter Einsamkeit – arbeitete sich Friedrichs Geisteskraft empor, entwickelten sich und reiften seine Talente, daß er das ward was er war, ohne es, wie Zimmermann sich seltsam genug ausdrückt, durch einen Sprung geworden zu sein. Den 31. Mai 1740 starb sein Vater, und Friedrich bestieg den Thron. Sein Vater hinterließ ihm (nach Friedrichs II. eigner Angabe) einen Schatz von 8 Millionen und 700,000 Thalern und eine Armee von 76,000 Mann. Diese blühende Verfassung seines Staats setzte ihn in den Stand, nach Kaiser Carls VI. Tode (d. 20. Oct. 1740), bei welchem mehrere Prätendenten an die Oestreichische Erbschaft auftraten (s. Aachner Friede) auch die Rechte des Hauses Brandenburg auf vier Schlesische Herzogthümer geltend zu machen. Friedrich forderte Anfangs von Marien Theresien, Carls VI. Tochter, nur die Fürstenthümer Glogau und Sagan; ja er gesteht in der Geschichte seiner Zeit, daß er nach dem ersten Feldzug in Schlesien sich mit Glogau begnügt und noch überdieß sich zur Partei der Königin geschlagen haben würde; allein man wollte ihm gar nichts einräumen: und so gelang es ihm in den Jahren 1741 und 1742, durch die Siege von Molwitz und Czaslau ganz Schlesien zu erobern, welches er [63] auch, nebst Glatz, bis an die noch jetzt in Oberschlesien bestehenden Gränzen, durch den unter Englischer Vermittelung und Garantie (d. 28. Jun. 1742) geschlossenen Frieden zu Breslau bekam. Jetzt genoß er zwei Jahre lang der Ruhe, die er zur Verbesserung und Bereicherung seiner Länder, zur Einrichtung des neu eroberten Schlesiens und zur Beförderung der Künste und Wissenschaften anwandte. Die Behauptung Schlesiens, der stete Augenmerk Friedrichs, schien ihm bei den Fortschritten Marien Theresiens wider die Alliirten (im J. 1744) Gefahr zu laufen; er verband sich also (d. 22. Mai 1744) aufs neue mit Frankreich, und Kaiser Carl VII. brach in Böhmen ein (welches er jedoch wieder räumen mußte), schlug das Jahr darauf das verbündete Oestreichische und Sächsische Heer, welches in Schlesien eindrang, bei Hohenfriedberg, und rückte aufs neue in Böhmen ein, wo er sich nach dem unvermutheten Sieg bei Soor bis zu Ende des Feldzugs hielt, da er nach Schlesien und dann nach Berlin zurückging. König Georg II. von England hatte den Frieden mit Preußen zu reguliren gesucht; allein Oestreich und Sachsen machten den Entwurf, die Preußischen Staaten von vier Seiten anzugreifen. Friedrich kam ihnen 1745 zuvor: durch einen Zug in die Lausitz trieb er die Oestreicher nach Böhmen; und eine bei Halle gesammelte Preußische Armee drang unter dem Fürsten von Dessau über Leipzig bis gegen Dresden vor, schlug die Sachsen bei Kesselsdorf (d. 15. Dec.), worauf Dresden in Preußische Hände fiel, und diesem Kriege schon den 25. Dec. durch den Dresdner Frieden, welcher in Rücksicht Oestreichs mit dem Breslauer gleichförmig war, ein Ende gemacht wurde. Nach diesem zweiten Schlesischen Kriege genoß Friedrich eines zwölfjährigen Friedens, während dessen er in seinem Lande Gesetzgebung, Militair, Finanzen, Landescultur, Manufacturen und Handel mit eben so viel Einsicht als Glück von einer Stufe der Vollkommenheit zur andern hob, an den auswärtigen Verhältnissen durch Unterhandlungen Theil nahm, und zugleich durch mehrere Producte seines Geistes den Wissenschaften und den Musen opferte. Geheime Nachrichten von einer Verbindung Rußlands, Oestreichs und Sachsens wider ihn bewogen ihn, da er einen zu befürchtenden [64] Angriff lieber zuvorkommen als denselben abwarten wollte, zu Ende des Augusts 1756 nach Sachsen zu marschiren, wo er sogleich das Sächsische Heer bei Pirna gefangen nahm. Dieß ist der Anfang des berühmten siebenjährigen Krieges, den er von 1757–1761 mit England, Hannover, Braunschweig und Hessen gegen die verbundene Macht von Oestreich, Frankreich, Rußland, Schweden und dem Deutschen Reiche mit unsterblichem Ruhme führte, und welcher mit dem Hubertsburger Frieden d. 15. Febr. 1763 (vermöge dessen Friedrich, weit entfernt ein Dorf zu verlieren, Schlesien aufs neue zugesichert erhielt) seine Endschaft erreichte. S. den Art. siebenjähriger Krieg. Seine erste Sorge nach dem Frieden war, die Wunden zu heilen, die der Krieg seinem Lande geschlagen hatte. Dieß gelang ihm in dem Grade, daß er dasselbe in einen noch weit blühendern Zustand als vor dem Kriege erhob, und demselben eine Stelle unter den ersten Europäischen Mächten verschaffte. Als solche erschien jetzt Preußen in allen Verhandlungen. Die Besetzung der an Ungarn gränzenden Zipser Starostei in Pohlen durch Oestreich (i. J. 1772) brachte die Kaiserin von Rußland und den König (dessen Bruder, der Prinz Heinrich, damahls gerade in Petersburg war) fast zu gleicher Zeit auf den Gedanken, Stücke von Pohlen an sich zu bringen; und so entstand – ohne von weitem angelegte Plane – die berüchtigte Theilung von Pohlen, durch welche der König, vermittelst eines Abtretungsvertrags der Republik Pohlen i. J. 1773, Pohlnisch Preußen, jetzt Westpreußen (Danzig und Thoren abgerechnet) erhielt. »Wir wollen uns hier nicht auf die Rechtsgründe dieser Theilung einlassen (sagt Friedrich selbst hierüber, welchem es bloß um Zuründung seines Gebiets dabei zu thun war): es mußten besondere Umstände zusammentreffen, um die Gemüther auf diesen Punkt zu führen und sie zu dieser Theilung zu vereinigen; das einzige Mittel, einem allgemeinen Kriege auszuweichen.« Die Rolle, die Friedrich in dem Bayerischen Successionskriege (1778) und als Urheber des Fürstenbundes (1785) übernahm (s. Bayerischer Successionskrieg und Fürstenbund), war eben so ehrenvoll für ihn selbst, als wohlthätig für die Deutsche [65] Reichsverfassung. Der Fürstenbund war das letzte politische Meisterwerk Friedrichs; er starb das Jahr darauf in der Nacht vom 16. zum 17. August 1786 auf seinem Lustschlosse Sans-Souci, nachdem er sein ererbtes Reich um 1325 Quadratmeilen vergrößert, und die Bevölkerung von 2,240,000 Menschen, die er fand, zu 5 Millionen und einige hunderttausend erhoben hatte. Friedrich ist gewiß einer der seltensten Menschen, nicht nur dieses Jahrhunderts, sondern aller Zeiten und Nationen. Er war nicht über 5 Fuß und 5 – 6 Zoll hoch; aber er war wohl gewachsen, und hatte ein Auge, dessen Feuer die gemeinste Seele traf. Zu einer Zeit geboren, in welcher die Aufklärung nur erst zu keimen anfing, und bei einer für die Cultur des Geistes sehr ungünstigen Erziehung, erhob er sich über sein Zeitalter, und ward einer der größten Beförderer der Aufklärung. In einem Körper, welcher schon vor seiner Thronbesteigung an Anfällen von Gicht und Podagra litt, die in der Folge immer heftiger wurden, wußte seine Seele die vollkommenste Oberherrschaft zu behaupten. Nie verließ ihn die Gegenwart des Geistes. So groß Friedrichs Geisteskraft war, eben so groß war die Kraft seines Willens, vermöge der ihm keine Aufopferung zu schwer ward, die er nothwendig fand, vermöge der er sogar sein für die Harmonien der Tonkunst gebautes Ohr an den Donner der Kanonen gewöhnte. Er war gleich groß im Kriege und im Frieden: für jenen bildete er sich selbst ein Heer, das sich unsterbliche Lorbern errang; in diesem umfaßte sein Geist alle Zweige der Regierung, während sein wohlwollendes Herz den Hülfsbedürftigen die kräftigsten Unterstützungen leistete. Man hat seinen Geist oft auf Unkosten seines Herzens gelobt; aber kein unparteiischer Beobachter seines Lebens wird ihm sanfte, wohlwollende Gefühle absprechen können.
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