[361] Agostino Steffani, geb. zu Castelfranco im Venetianischen 1650, war einer der größten Componisten und Sänger – zugleich aber auch einer der berühmtesten Staatsmänner seiner Zeit. Ein Deutscher Graf, der ihn zu Venedig singen hörte, nahm ihn mit nach München, und ließ ihn in den Wissenschaften unterrichten. In der Musik erhielt er den damahls ganz vorzüglichen Tonkünstler, den Kapellmeister Ercole Bernabei zum Lehrer, und machte bald solche Fortschritte, daß er nach einiger Zeit die Stelle eines Directors der churfürstl. Kammermusik erhielt. Seine erste Oper, Servio Tullio, wurde 1685 zur Vermählungsfeier des Churfürsten mit außerordentlicher Pracht aufgeführt, die sich sogar auf das Textbuch erstreckte, welches mit 13 Kupfern in Folio geziert war. Auch sein Ruhm erhöhte sich dadurch, und er wurde darauf als Kapellmeister nach Hannover berufen, wo er sich besonders auch durch seine Gesangsachen bei Hofe höchst beliebt machte. Doch nicht bloß durch seine Talente für Musik erwarb er sich das große Ansehen, sondern er wurde auch in Staatssachen mit sehr glücklichem Erfolge gebraucht. Als nehmlich damabis Kaiser Leopold (1689) auf eine neunte Churwürde für den Herzog von Braunschweig, Ernst August, zur Belohnung seiner Verdienste um das Deutsche Reich, antrug, und diese Sache sehr viel Schwierigkeiten und Beschwerden erregte, so wußte dennoch Steffank diese verworrene Sache, die damahls viele Federn, auch die eines Leibnitz und Kulpis, in Bewegung setzte, so geschickt zu leiten, daß wirklich im J. 1692 die öffentliche Belehnung über die neunte Churwürde, und nachher 1710 über das Erbschatzmeister-Amt erfolgte. Dadurch erwarb er sich nun einen eben so großen Ruf als Staatsmann, und die ansehnlichsten Belohnungen; auch gab ihm bald Innocenz XI. das Bisthum Spiga im Spanischen Westindien. Seit dieser Zeit ließ er auf seine musikalischen Werke nicht mehr seinen, sondern den Namen seines Copisten, Gregorio Piva, setzen, so wie er auch nachher 1708 seine musikalischen Aemter niederlegte. Bei der zu London 1724 errichteten Akademie der alten Musik wurde er einstimmig zum Vorsteher erwählt, welche Stelle er auch behielt, und dann von Zeit zu Zeit Arbeiten von [361] sich dahin einsendete – eine Ursache, warum seine Werke in Loudon fast noch mehr bekannt sind, als in Deutschland. Nachdem er noch 1729 eine Reise in sein Vaterland gemacht, und auch hier, wenn gleich schon 79 Jahre alt, viele seiner Zeitgenossen in Bewunderung gesetzt hatte, starb er 1730 zu Frankfurt am Main, wohin er in Angelegenhelten von Hannover aus gereist war, in seinem 80. Jahre. Von seinen Opern sind mehrere durch die Deutschen Aufführungen in Hamburg bekannt geworden.