Alexander Menzikof oder Menschikow

[121] [121] Alexander Menzikof oder Menschikow, welcher von dem Glücke aus dem Staube bis auf den höchsten Gipfel der Ehre erhoben und schnell bis in den äußersten Abgrund des Elends gestürzt wurde, war von unbekannter niedriger Herkunft, und wahrscheinlich 1674 an einem ebenfalls unbekannten Orte geboren. Er hatte eine schlechte Erziehung, und kam als Knabe nach Moskau zu einem Pastetenbäcker, der ihn zum Verkauf seines Gebäcks auf den Straßen herumschickte. Sein artiger und witziger Scherz beim Verkauf machte ihn Le Fort, dem Günstling Peters des Großen, bekannt; er trat als Bedienter in dessen Dienste, nachher in die Dienste des Zaars Peters selbst, welcher letztere ihn so lieb gewann, daß er Tag und Nacht bei ihm bleiben mußte und sein Vertrauter ward. Er begleitete denselben als Soldat auf allen Heerzügen, und machte sich ihm bald unentbehrlich. Nachdem er 1697 eine Verschwörung entdeckt hatte, überhäufte ihn der Zaar mit Ehrenstellen, und gab ihm sogar den Posten eines Oberhofmeisters bei dem jungen Kronprinzen Alexei. Menzikof hatte den Zaar ganz in seiner Gewalt. Er wußte seine Feinde, die meistens rechtschaffne Männer waren, zu stürzen oder im Zaum zu halten; und kein Mittel zu Vermehrung seines Vermögens und Erhöhung seines Ruhms war ihm zu unedel. Er bekam mehrere Orden, auch von fremden Königen, ward sogar Graf und Fürst des Deutschen Reichs, und erhielt, nachdem er im Kriege gegen die Schweden einige Vortheile errungen hatte, das Commando einiger Festungen, verschiedene Gouvernements und die Stelle eines Russischen Fürsten und Feldmarschalls. Man kann zwar nicht läugnen, daß er Peters Pläne zur Verbesserung Rußlands ganz gut ausgeführt, auch selbst manche glückliche Operation unternommen habe; allein er war vermöge seiner schlechten Erziehung in Staatssachen unwissend, und sein Despotismus war eben so groß als sein Ehrgeitz. Er wollte über alle herrschen, und dieß gelang ihm auch lange Zeit. Zwar wurde Peter von seiner Habsucht und Untreue in der Verwaltung der Finanzen oft deutlich genug überzeugt; auch gerieth Menzikof dreimahl in gefährliche Untersuchung, wobei er fast alle Stellen verlor und an Gelde gestraft wurde: aber die Gemahlin Peters, Catharina, [122] die ehedem in Menzikofs Hause als ein armes Mädchen lange Zeit Unterhalt genossen, und vorzüglich durch ihn mit dem Zaar bekannt geworden war, rettete ihn aus jeder Verlegenheit. Auch bezeigte er sich dankbar gegen sie; nach Peters Tode beförderte er sie vorzüglich zum Throne: und nun war sein höchstes Streben, allein zu regieren, erreicht. Ganz Rußland haßte ihn als einen Despoten; alle Staatscassen wurden von ihm geplündert; selbst die Kaiserin zitterte vor seiner Macht, die sie selbst durch neue Schenkungen und Ehrenstellen erhöht hatte; keiner wagte es, ihn anzugreifen. Aber das Glück wollte ihn noch mehr begünstigen; nach der Kaiserin Tode nahm er den unmündigen Kaiser Peter II. in seinen Pallast, beherrschte ihn mit der größten Strenge, erhielt den Posten eines Generalissimus, und verlobte selbst seine Tochter Maria mit dem jungen Kaiser. Er war nun mächtiger als dieser selbst. Aber seine Gegner, unter die besonders die Fürsten Dolgoruki, seine beständigen Feinde, gehörten, nahmen den Kaiser wider ihn ein, und entdeckten seine ganze Niederträchtigkeit. Und nun kehrte das Glück seinem Günstlinge auf einmahl den Rücken: man vergaß seine übrigen Verdienste; er wurde aller Würden und seines ganzen ungeheuern Vermögens beraubt (auch die Verlobung des Kaisers mit seiner Tochter ging zurück, man gab demselben statt der jungen Menzikof die Tochter seines Lieblings, Iwan Dolgoruki, zur Braut) und anfänglich auf eines seiner Landgüter, nachher nach Sibirien verwiesen (1727). Seine Gemahlin, eine sehr verehrungswürdige Frau, die umsonst um Gnade gefleht hatte, folgte ihm freiwillig ins Exil. Er mußte auf der Reise dahin die entehrendsten Beschimpfungen von seinen zahlreichen Feinden erdulden, ertrug aber alles Ungemach gelassen, und starb daselbst in den elendesten Umständen 1729. Noch ist von diesem seltnen Günstling, über dessen Werth die Stimmen sehr getheilt sind, zu merken, daß besonders durch seine Cabale Peters des Großen Sohn, Alexei, vom Vater gehaßt und endlich zum Tode verurtheilt wurde.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 121-123.
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