Antonio Maria Gasparo Sacchini

[2] Antonio Maria Gasparo Sacchini, geboren zu Neapel 1735. Dieser große, merkwürdige Compositeur studirte im Conservatorium zu St. Onofrio in seiner Geburtsstadt unter Durante die Musik, und wählte vorzüglich die Violine zu seinem Hauptinstrumente. Als er das Conservatorium verlassen hatte, wurde er bald durch mehrere Theatercompositionen bekannt und bald auch zu Rom bei einem Operntheater angestellt, wo er, während seines achtjährigen Aufenthalts, schon damahls mit Piccini wetteiferte und vor diesem in der ernsthaften Oper den Vorzug behielt. Als Kapellmeister im Conservatorium Ospedaletto zu Venedig (1769) arbeitete er auch mit großem Glück für die Kirchenmusik, und erwarb sich dabei den Ruhm, die trefflichsten Sängerinnen, eine Gabrieli, Santi u. a. m. gezogen zu haben. Schon erregten seine Werke im Auslande, namentlich in London, Aufsehen; aber noch gab er den vortheilhaften Vorschlägen von daher kein Gehör, sondern machte erst in den Jahren 1770 u. f. eine Reise nach Deutschland, blieb einige Zeit au den Höfen zu Stuttgard und München, ging nach Holland und dann erst, auf die wiederholten vortheilhaften Anträge, nach London (ungefähr 1774). Beinahe zehn Jahre war er hier der Gegenstand der allgemeinen Bewunderung; und dreizehn Opern, die er während dieser Zeit auf das dasige Theater brachte, wurden aufs prächtigste in Kupfer gestochen. Dessen ungeachtet verließ er (um das J. 1783) London, theils wegen drückender Schulden, in die ihn sein Haug zum Vergnügen, trotz seines guten Einkommens, gestürzt hatte, theils aber auch wegen seiner Gesundheitsumstände und der heftigsten Anfälle vom Podagra. So kam er nach Paris, wo seine Olympiade schon der Gegenstand allgemeiner Bewunderung war, die man denn nun auch dem Künstler selbst zollte, so, daß er nicht nur die größten Ehrenbezeugungen, selbst am Hofe der Königin, bei welcher er Componist und Lehrer ward, sondern auch die einträglichsten Belohnungen [2] erhielt. – Ein zurückgetretenes Podagra, das ihn eben, als er wieder Anstalten zu einer Reise nach London machte, aufs neue anfiel, machte seinem Leben am 7. October 1786 ein Ende. Jedermann nahm Antheil an seinem Schicksale: er selbst aber starb ohne die mindeste Beunruhigung; nur das Schicksal seiner Schwester und seines Bedienten, die er hülflos hinterlassen mußte – bei seinem erworbenen ungeheuern Vermögen hatte ihm der Hang zu Vergnügen und Verschwendungen auch hier nichts übrig gelassen – betrübten ihn noch sehr.

Das reichhaltige Genie dieses großen Tonkünstlers, der zugleich unter die vornehmsten Stützen der Neapolitanischen Schule gehört, zeigt sich in seinen Werken – unter denen man die Anzahl seiner Opern auf 50 setzt – eben so stark, als das Sanfte und Zärtliche seines Charakters überall hindurch blickt; besonders zeichnen sich die Chöre – z. B. das Chor der Priester in der Olympiade – an großer, erhabener Simplicität, an Kraftvollem und Harmonischem aus. »Wenn es auf der musicalischen Bühne,« sagt einer seiner Biographen, »ein Mittelding zwischen der lustigen und heroischen Oper gäbe, welches unsern ernsthaften Comödien und bürgerlichen Trauerspielen gliche, so würde Sacchini in diesem Fache kaum seines Gleichen gefunden haben.« – Er arbeitete mit einer außerordentlichen Leichtigkeit; Mühe und Zwang verabscheute er in seinen Arbeiten. Nach Art der Dichter erwartete er den glücklichen Moment des Enthunasm, und erreichte so in einem Schwunge, was das mühsamste Bestreben nicht hervorzubringen vermag. Er wurde unter andern – nach Forkels Erzählung in einem seiner musicalischen Almanache – nach Mailand berufen, um die erste Oper zu setzen. Gleich bei seiner Ankunft zog hier die prima Donna seine ganze Aufmerksamkeit so sehr auf sich, daß er bei ihr die Absicht seiner Reise gänzlich vergaß. Kurze Zeit vor Eröffnung des Theaters, als der Impressario zu ihm kam, um die Proben mit ihm zu verabreden, gestand S. seine Nachläßigkeit, indem er noch keine Note an der Oper angefangen habe. Der darüber ganz außer sich gebrachte Unternehmer konnte nur durch jene Dame in etwas besänftigt werden, die sich eben bei Sacchini befand. [3] Sie verlangte vor allen Dingen zwei Copisten, die nun beständig bei diesem bleiben mußten: er machte sich an die Arbeit, und ohne aus dem Bette aufzustehen schrieb er so eifrig, daß ihm jene Copisten kaum folgen konnten; und binnen 14 Tagen war die ganze Oper – eine seiner schönsten – nicht nur fertig, sondern auch schon auf die Bühne gebracht. – Mit einer seltnen Geschicklichkeit, jeder Nation ihren Geschmack abzugewinnen, wußte er das Brauchbarste aus diesem Nationalgeschmacke auszuheben und immer in seine Arbeiten zu verweben; und so mußten seine Werke überall, in welchem Lande er auch schrieb, Beifall finden. – Seine Büste aus Marmor ist in der Kapelle des Pantheons zu Rom an demselben Pfeiler aufgestellt, an welchem Raphaels von Urbino Monument befindlich ist.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 2-4.
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