[150] Das Mönchswesen hat auf die Schicksale des Menschengeschlechts einen zu wesentlichen Einfluß gehabt, als daß wir nicht den Ursprung, Fortgang und die Wirkungen desselben etwas vollständig darzustellen suchen sollten. Andacht und Demuth, erzeugt durch den Gedanken an die Größe des unendlichen Wesens, artete in den meisten Landen, besonders aber im südlichen Asien und Egypten, wo das heiße und trockne Clima die Einbildungskraft aufs äußerste entflammt, aber auch Geist und Körper erschlafft, schon in den frühsten Zeiten der bürgerlichen Gesellschaft in stumpfe und thatenlose Andächtelei und Schwärmerei aus, vermöge der man nichts für heiliger und der menschlichen Bestimmung angemeßner hielt, als sich ununterbrochen dem Nachdenken über die Gottheit zu weihen, und alle Geschäfte, alle erlaubte Vergnügungen zu vermeiden, die davon ableiten können. Man floh also die bürgerlichen Verhältnisse, begab sich allein oder mit mehrern Schwärmern in unfruchtbare Wüsten, und legte sich alle Arten von körperlichen Plagen, Fasten und Casteiungen auf, durch die der Verstand verrückt und die Einbildungskraft bis zu dem Zustande eines Rasenden erhitzt wurde. Der gemeine Haufe staunte jene Heiligen an, und gab ihnen den unumschränktesten Einfluß in alle Geschäfte des Gottesdiensts, der Regierung und des häuslichen Lebens, machte es sich zur Pflicht, sie zu ernähren und mit allen Glücksgütern zu versehen, und verleitete sie dadurch zu Faulheit, Ausschweifungen, Herrschsucht und Lasterhaftigkeit. Der große Wohlstand dieser Geweihten lockte eine Menge Betrüger herbei, die, um gleiche Vorzüge zu genießen, eine ähnliche Frömmigkeit erheuchelten. So erzeugten sich unter den meisten Asiatischen und vielen Afrikanischen Völkern unzählige höchst sonderbare Einsiedler und Mönche; hierher gehören die Fakirs und Santons in Ostindien, die Fakirs unter den Persischen Muhamedauern, die Emirs oder Sherifs und Derwische der Türken, die Talapoinen oder die Priester und Mönche in Pegu, Siam und einem großen Theile [150] der östlichen Halbinsel Ostindiens, die Einsiedler und Mönche in Arabien, China, Corea und Japan (in welchem letztern Lande sie Jammabos, Soldaten der Religion, heißen und sich als Einsiedler den größten Lastern überlassen), in Egypten, Tibet u. a. L. Alle diese Leute sind im Betragen die größten Frömmler und Phantasten, durchstreifen, wenn sie nicht in Mönchs- und Nonnen-Klöstern beisammen wohnen (denn auch unter den Nichtchristen, z. B. in Siam und Japan, giebt es einige Nonnen), als Irrende einzeln oder in Haufen das Land, predigen Buße, treiben Aberglauben und Wunderkuren, werden dabei reich und angesehen, und begehen die entehrendsten Ausschweifungen. Bei den Juden waren die Essäer und Therapevten, welche letztere auch in Egypten lebten, dergleichen Sonderlinge; jedoch waren erstere ohne großen Einfluß und ziemlich unschädlich. Die christliche Religion wurde bald nach ihrer Entstehung von eben diesem Geiste der Schwärmerei nur allzu sehr angesteckt, und im Schooße Egyptens entwickelte sich der Keim des christlichen Mönchswesens zuerst. Außer der nachtheiligen Lage dieses Landes, welche zur Schwermuth und Schwärmerei geneigt macht, erweckten noch mehrere zusammentreffende Ursachen (z. B. die Reste der falsch verstandenen Pythagoreischen Philosophie, besonders aber die Phantasien und Träumereien der Neuplatoniker von Entkörperung, Annäherung des Geistes an Gott und innerer Erleuchtung, und der durch jene Ideen entstandne Hang zum Wunderbaren, zur Magie und zum Abenteuerlichen) schon vom zweiten Jahrhundert an eine überall um sich greifende Wuth zum Einsiedlerleben und zur unerbittlichen Strenge gegen sich selbst. Andere begaben sich aus Abscheu gegen das damahls allgemeine Sittenverderbniß, andere aus Furcht vor den Christenverfolgungen unter den heidnischen Kaisern in die Wüsten; und einer dieser schmärmerisen Eremiten, Antonius der Große, ein Egyptischer Bauer (gest. 356), erregte seit 305 durch Wunderkuren, Teufelsbeschwörungen, lächerliche Balgereien mit dem Teufel und übertriebene An dachtsübungen solche Sensation, daß eine Menge Sch wärmer und Einsiedler seine Schüler wurden. Einer de rselben, Pachomius, sammelte diese einzelnen Einsiedler von [151] 325 an in gemeinschaftliche Wohnungen, die man Cönobien oder Klöster, und die Bewohner derselben Mönche oder Alleinlebende nannte. Das erste Kloster war zu Tabenna oder Tabennesus, einer Nilinsel, so wie damahls überhaupt alle Klöster, in den fürchterlichsten und unfruchtbarsten Einöden angelegt wurden. Die Mönche, größten Theils Muster von Mäßigkeit und Enthaltsamkeit, standen unter einem Vorsteher (Abbas oder Abt), und widmeten sich, obgleich mit wenig Eifer, der Handarbeit; vorzüglich aber waren Gebet, Bußübungen, Bekehrung der Heiden, Verpflegung der Dürftigen und Heilung der Kranken ihre Beschäftigungen. Zu gleicher Zeit entstanden auch Nonnenklöster (Nonnen hießen bei den Egyptiern hoher Verehrung würdige Matronen) schon unter dem Pachomius zu Tabenna, sie wurden aber nie ganz so zahlreich als die Mönchsklöster. Man unterschied jetzt eine dreifache Art von Mönchen, Anachoreten oder Einsiedler, die im Kloster ihre Probezeit ausgehalten hatten, herumschweifende Mönche und Klosterbrüder; und nun breitete sich im 4. und 5. Jahrhundert das Mönchswesen mit unaufhaltsamen Fortschritten über die ganze Christenheit aus. Die Mönche wurden nach und nach immer aberwitziger, heuchlerischer und immer größere Cyniker; alle Laster, die eine so vernunftwidrige Einsamkeit erzeugen konnte, wurden bei den Mönchen und Nonnen herrschend, und sind es bis auf den heutigen Tag geblieben. Es entstanden nunmehr eigne Mönchs- und Nonnengelübde, die Gelübde des Gehorsams, der Keuschheit und der Armuth; allein wie wenig wurden sie beobachtet! wer weiß nicht, wie sehr die Mönche und Nonnen zu herrschen und sich zu bereichern streben? und wer kennt nicht ihre Ausschweifungen in der Wollust? Die ungemeine Ausbreitung derselben erweckte viel Disharmonie unter ihnen; und es entstanden viele besondere Verbindungen von Mönchen und Nonnen, je nachdem sie nach besondern Regeln und Vorschriften lebten: man nannte diese Vebindungen Mönchsorden; und unter diesen waren auch die Nonnen, welche nach derselben Regel lebten, begriffen. Der erste Orden war der überaus berühmte, reiche, auch um die Wissenschaften sehr verdiente Benedictiner-Orden, vom heiligen Benedictus[152] 519 auf Monte Cassino im Neapolitanischen gestiftet; ihm folgten späterhin und bis auf die neuern Zeiten die Augustiner, Bernhardiner, Cisterzienser, Cölestiner, Cartheuser, Prämonstratenser, Carmeliter, Serviten, Cluniacenser, Dominicaner, Franciscauer u. s. w. auch Nonnenorden, z. B. die Kreuzträgerinnen, Urselinerinnen u. a. Auch unter den Griechischen Christen und den Koptischen in Egypten wurden Klöster errichtet, die jedoch in einem noch elendern Zustande sind als bei den Katholiken. Im Mittelalter wuchs der Stolz, die Herrschsucht und der Reichthum der Mönche aufs äußerste: sie befreiten sich von der bischöflichen Gewalt und Gerichtsbarkeit, entzogen den Landesherren ihre Rechte über sich, mischten sich in die wichtigsten Angelegenheiten der Kirche und des Staats, vergrößerten die päpstliche Macht und untergruben alle bürgerliche Ruhe und Ordnung (sie erlaubten den größten Verbrechern in ihren Klöstern ein Asyl oder einen Sicherheitsplatz, rechtfertigten die schwärzesten Schandthaten u. s. f.); sie zogen durch Empfehlung der Wallfahrten nach den Klöstern, durch zur Pflicht gemachte Schenkungen an Klöster und Geistlichkeit, durch Erwerbung liegender Gründe, Absolutionen und Seelenmessen die besten Reichthümer des Landes an sich, und entzogen demselben durch Proselitenmacherei die tapfersten Vertheidiger und die arbeitsamsten Bürger. Ihr einziger Nutzen war, daß sie fast allein die Gelehrsamkeit erhielten. Umsonst suchten viele Kaiser und Könige, selbst einige Päpste dem Mönchsunwesen Einhalt zu thun; denn weit mehrere begünstigten es und hoben es auf den höchsten Gipfel (z. B. die Päpste Johannes IV. Alexander IV. und V. Kaiser Heinrich II. u. A.). Damit aber Mönche und Nonnen ja nicht in ihren heiligen Betrachtungen gestört würden, führte man im II. Jahrhundert die Laienbrüder und Laienschwestern ein, d. h. Mönche und Nonnen, die nicht studirt hatten, und die im Kloster Hand- und Dienstarbeiten verrichten mußten. Plötzlich entstand jetzt zu Anfang des 13. Jahrhunderts eine neue Art von Mönchen, noch weit beschwerlicher und abscheulicher als alle vorhergehenden, die Bettelmönche, welche in zwei Orden, die Dominicaner [153] und Franciscaner, getheilt waren. Die Dominicaner bemächtigten sich besonders des Predigtamts und der Aufsicht über die Inquisition, und sammelten sich, dem Stiftungsgesetze zuwider, unsägliche Schätze, hatten aber doch um die Gelehrsamkeit viele Verdienste. Die Franciscaner hingegen waren äußerrst einfältig und die verworfensten und schmutzigsten, zugleich aber auch die ausgebreitetsten und schädlichsten aller Mönche. Sie zogen im scheuslichsten Bettlergewand in Haufen umher, predigten überall Buße, erlangten die besten geistlichen Aemter, erforschten alle Familiengeheimnisse, sammelten in der Stille die größten Güter, schlichen sich besonders bei den Höfen und in den Cabinetten ein, wurden dadurch den Fürsten sehr furchtbar, aber dem Papste desto vortheilhafter (ganz wie späterhin die Jesuiten), und begingen die größten Schandthaten; sie trugen zur Verbreitung des Aberglaubens, der Sittenlosigkeit, des Fanatismus und der Intoleranz das meiste bei. Der päpstliche Stuhl, weit entfernt sie einzuschränken, begünstigte sie daher ausnehmend, und brauchte sie, so wie auch andere Mönchsorden, zu Verbreitung von Empörungen und schädlichen Lehrsätzen, Auflegung von Collecten und Abgaben und zu Ketzerverfolgungen. Doch zu Anfang des 16. Jahrhunderts strahlte das von Luther und Zwingli verbreitete wohlthätige Licht der Aufklärung zu hell über die Mißbräuche der Möncherei; es verbannte nicht nur Mönche und Nonnen aus allen protestantischen Staaten gänzlich, sondern veranlaßte auch manchen hellsehenden katholischen Fürsten, ja selbst den Papst, ein wachsameres Auge auf jene Pest der Staaten und der Religion zu führen. Der Einfluß der Mönche, besonders der Bettelorden, fiel sehr durch einen neu gestifteten geistlichen Orden, die Jesuiten, die aber leider eben so schädlich wurden. Erst in der andern Hälfte des 18. Jahrhunderts, besonders unter Clemens XIV. und Pius VI. schränkte man das Mönchswesen mit Nachdruck ein; und die Bemühungen des unsterblichen Josephs II. zu diesem Endzwecke sind nur allzu bekannt. Auch Frankreich setzte unter Ludwig XVI. 1782 und 1784 die Anzahl der Mönche sehr herab; Neapel that 1781 ein gleiches, und verringerte besonders die Novizen und Vettelmönche; anderer Versuche [154] in andern Staaten nicht zu gedenken: und die National-Versammlung in Frankreich hob endlich 1791 die Mönche und Nonnen in ihren Staaten ganz auf. Auch können wir bei der immer fortschreitenden Aufklärung die baldige gänzliche Abschaffung der Möncherei in allen christlichen Staaten mit ziemlicher Gewißheit vorhersagen. – Uebrigens stehen alle Mönche und Nonnen unmittelbar unter dem päpstlichen Stuhl. Sämmtliche Mönche und Nonnen von einerlei Orden sind unter der Herrschaft des Generalpaters, der sehr mächtig ist; unter ihm stehen in Provinzen die Provinzialpatres; und einzelne Klöster in einzelnen Orden haben ihren besondern unter jenen stehenden Vorsteher, der nach der verschiedenen Einrichtung derselben den Namen Abt, Prior, Präpositus, Pater-Guardian, Rector u. s. w. heißt. Bei Nonnenklöstern heißen die Vorsteherinnen Aebtissinnen. Die einzelnen Mönche, die Conventualen oder Klosterbrüder genannt werden, theilen sich in geistliche und Laienbrüder (bei den Nonnen in geistliche und Laienschwestern), müssen aber, ehe sie wirklich in die Zahl der Mönche und Nonnen aufgenommen werden, ein Probejahr ausstehen, welches Noviziat genannt wird, und vor dessen Ablauf sie den Gesetzen gemäß das Kloster wieder verlassen können.
Buchempfehlung
Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.
546 Seiten, 18.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro