[332] Demosthenes, geb. im Jahr 381. vor Christi Geburt. Dieser große Griechische Redner verlor im siebenten Jahre seinen Vater, der ihm zwar ein ansehnliches Vermögen hinterließ, um das er aber durch seine Vormünder gebracht wurde. Der Beifall, den er einst einen Redner einerndten sah, flößte ihm die erste Lust zur Beredsamkeit ein. Allein seine ersten Versuche hierin liefen so unglücklich ab, daß er sogar ausgezischt wurde. Da die Ursache hiervon nicht in seinen Reden selbst, sondern bloß in der Art des Vortrags derselben lag, so sprachen mehrere Freunde dem fast verzweifelnden Demosthenes Muth ein. Auch wurde sein Eifer, sich die Kunst des Vortrags zu erwerben, so groß, und der Erfolg davon war so glücklich, daß Demosthenes jedem angehenden Redner zum Beispiel dienen kann, wie weit man es durch Fleiß im Vortrage bringen könne. Er schor sich den Kopf ab, um genöthigt zu sein, zu Hause zu bleiben, und sich zu üben; hier nahm er bald Kieselsteine in den Mund, und übte sich, so zu reden, bald stellte er einen Spiegel vor sich hin, um seine körperlichen Bewegungen zu beobachten u s. f. Und als er sich nach diesen Anstrengungen am Ziele der Vollkommenheit sah, erklärte er frei, daß er den Vortrag für das erste und letzte Stück des Redners halte. Am stärksten und wirksamsten zeigte sich seine Beredsamkeit, als er das Interesse und die Freiheit von Griechenland gegen den König Philippus zu vertheidigen unternahm Philippus selbst pflegte zu sagen, daß ihm die Beredsamkeit des Demosthenes allein mehr geschadet habe, als alle Truppen und Flotten der Athenienser. Dieser große Mann hatte jedoch zwei Fehler: erstlich, er war geschickter die Tapferkeit seiner Landsleute zu loben als nachzuahmen, welches er vorzüglich durch seine Flucht in der Schlacht bei Chäronea bewieß; ein Fehler, welcher sich jedoch durch seine schwache Constitution entschuldigen läßt – zweitens, wenn gleich Philippus Geld keinen Eingang [332] bei ihm fand, so ließ er sich doch übrigens leicht bestechen, weßhalb er auch einst zu einer Geldstrafe und zum Gefängniß verurtheilt ward, aus welchem letztern er jedoch entwischte. Nach Alexanders Tode riefen ihn die Athenienser ehrenvoll zurück; als aber, nach der Schlacht bei Cranon, Antipater und Craterus auf Athen losgingen, verließ Demosthenes und seine Partei in dieser dringenden Noth die Stadt. Demosthenes rettete sich in einen Tempel, wohin ihn Antipater nachsetzen ließ, ohne ihn jedoch anders als todt zu finden; wahrscheinlich hatte er Gift genommen. Er starb im 62. Jahre seines Alters. Seine Beredsamkeit war siegend; Cicero selbst erklärt ihn für den größten Redner. Mit Recht rühmt man die Kunst an ihm, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer unverrückt auf dem Gegenstande zu erhalten; er war weit entfernt, sie durch Schmuck von der Sache auf sich selbst zu lenken. Friedrich II. in seinem Briefe über die Deutsche Litteratur, charakterisirt ihn vortrefflich, indem er ihn folgender Maßen mit dem Cicero vergleicht: »zu des Demosthenes Reden darf man nichts hinzu setzen, von den Reden des Cicero nichts hinwegnehmen.«