Der Phosphorus

[430] Der Phosphorus, Lichtträger (Physik), jeder im Dunkeln leuchtende Körper, dessen Leuchten ehedem nicht zu den täglichen Erscheinungen gehörte, wie dieß letztere bei dem Leuchten der Sonne, der Sterne und der gewöhnlich glühenden Körper der Fall ist, daher auch eben diese Körper von dem Begriff des Phosphorus ausgeschlossen sind. – Man theilt die Phosphoren in natürliche und künstliche: zu der erstern Gattung gehört z. B. das Johanniswürmchen; von der zweiten blieb der im J. 1630 von dem Schuhmacher Cascariolo in Bologna entdeckte Bononische Stein (der, wenn er eine Zeit lang im Lichte gelegen hat, durch seinen eignen Glanz sichtbar wird, vorzüglich aber dann stark leuchtet, wenn er, fein zerstoßen, mit Wasser oder Leinöhl durchknetet und calcinirt wird) fast ein halbes Jahrhundert hindurch der einige bekannte Phosphor. Nachher sind aber bis auf die neuesten Zeiten mehrere künstliche Lichtträger bekannt gemacht worden. Die Untersuchungen über die chemischen Bestandtheile des Phosphorus sind jedoch (nach der Versicherung mehrerer Physiker) noch nicht geendigt.

[430] Noch ist zu bemerken, daß das Wort Phosphorus oft vorzugsweise von dem so genannten Kunkelischen1 oder Harnphosphorus gebraucht wird, welcher im Dunkeln leuchtet, sich bei mäßiger Wärme (76 Grad Fahrenheit), um desto mehr, wenn er gerieben wird, oder bei einem höbern Grade von Wärme, von selbst entzündet, wobei er mit starker Flamme und häufigen. weißen Rauche brennt, und den Geruch des Knoblauchs verbreitet. Entzündeten Phosphor kann man nicht durch Reiben auslöschen oder austreten; das beste ist, ihn unter Wasser zu tauchen, so wie man ihn überhaupt unter Wasser verwahren muß. Der dickliche Rückstand dieser Verbrennung ist Phosphorsäure.

Lavoisier hat auf diese und ähnliche Erscheinungen vorzüglich sein antiphlogistisches System erbaut, nach welchem die Phosphorsäure durch die Verbindung der in der reinen Luft enthaltenen Base oxygene mit dem Phosphorus erzeugt wird; daher die Säure schwerer wird, als der Phosphorus selbst.

Uebrigens hat man die leichte Entzündlichkeit des Phosphorus zur Verfertigung der Turiner Kerzen, die man auch Glaskerzen nennt, und zu dem tragbaren Feuer benutzt.

[431] Die Turiner Kerzen sind kleine dünne polirte Wachskerzen, die man in eine Glasröhre steckt, in die man vorher etwas Phosphorus, mit einigen Kornchen Schwefel, gethan, und mit dem Dochte der Kerze an der Lampe verschmolzen hat, bis der Phosphorus nicht mehr leuchtet. Hierauf wird die Glasröhre zugeschmolzen. Bricht man nun die Glasröhre von einander so entzünden sich die herausgezogenen Kerzen von selbst.

Das tragbare Feuer ist ein Fläschchen mit Eisenfeile, Sand oder Knochenasche, oben mit einer Schicht von fest angedrücktem Phosphorus, auf dem man, beim Gebrauch, den in ein Pulver von Schwefel und Bärlappsamen getauchten Docht jener Kerze reibt, weicher sich nach dem Herausziehen entzündet


Fußnoten

1 Johann Kunkel von Löwenstern in Dresden hatte eine Spur zur Verfertigung des Steins der Weisen mit Hülfe des Harns angegeben, welche der verunglückte Hamburger Kaufmann Brandt verfolgte, aber Statt Gold (i. J. 1669, nach Andern 1677) zufällig den Harnphosphorus entdeckte. Brandt theilte dieses Geheimniß einem gewissen Dr. Kraft in Dresden mit. Keiner von beiden wollte es indeß Kunkeln entdecken; Brandt starb, und Kraft reiste mit dem Geheimniß nach London. Unterdessen machte Kunkel, welcher jetzt für sich allein arbeitete, die Erfindung des Harnphosphorus selbst, mithin zum zweiten Mahle. Er gab diesem Phosphorus die Gestalt eines großen Steins.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 430-432.
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