Die Hunnen

[221] Die Hunnen oder Hiong- nu wohnten ursprünglich dicht an China in der heutigen Mungalei; der größte Theil derselben wurde aber gegen das Ende des ersten christlichen Jahrhunderts von den Chinesen vertrieben, hielt sich dann lange Zeit in der großen Tartarei auf, zog im vierten Jahrhundert in ungeheuerer Anzahl über die Wolga nach Europa, überwand verschiedene mächtige Völker, und verdrängte [221] die Ost- und Westgothen aus ihren Wohnsitzen. Im fünften Jahrhundert durchstreifte ihr furchtbarer König Attila (s. oben Attila) den größten Theil des östlichen Europa; er verwüstete mit seiner zahllosen tapfern Mannschaft Deutschland und Gallien (in welchem letztern er bei Chalons eine heftige Niederlage erlitt), und zwang dann Italien zu einem schimpflichen Frieden. Nach seinem Tode (453) ging unter seinen Söhnen sein unermeßliches Reich zu Grunde; die meisten Hunnen flohen in ihre Tartarischen Wohnsitze zurück; oder wurden durch das Schwert der Gothen, Gepiden und anderer Völker aufgerieben. Was noch in Pannonien (so wurde vor Alters diejenige große Landschaft genannt, in welcher das heutige Ungarn und zum Theil Sclavonien und Croatien etc. lag) übrig blieb, bildete nachher in Vereinigung mit den Awaren (einem Asiatischen Völkerstamme von Hunnischer Abkunft, der nachher nach Europa kam) und den Eingebornen die heutige Ungarische Nation. Die Hunnen waren ein rohes und grausames aber tapferes Volk; und von ihren großen Heereszügen nach Europa verdient bemerkt zu werden, daß dadurch die große und allgemeine Europäische Völkerwanderung vom vierten Jahrhunderte an zuerst und vorzüglich bewirkt wurde.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 221-222.
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